Das Erbe der Runen 2 - Die Feuerpriesterin
lachend hinzu. »Und ich könnte auch ein Bad vertragen.«
»Du möchtest baden?« Mayleas Miene hellte sich auf. »Das lässt sich einrichten. Warte, ich bin gleich zurück.« Ehe Ajana etwas erwidern konnte, eilte sie aus dem Raum und kehrte gleich darauf mit einem Bündel im Arm zurück. »Hier, das müsste dir passen«, sagte sie und warf Ajana die Kleidungsstücke zu. »Ist nicht ganz einfach, etwas Passendes für uns bei dem kleinen Volk zu finden«, erklärte sie.
»Danke.« Ajana schlüpfte in die schlichte helle Hose, die in der Taille nur mit einem Lederriemen gegürtet wurde, und zog sich das dazugehörige Hemd über. Es wurde auf der Schulter mit einem Lederband geschnürt und war an den Armen etwas zu kurz. Doch das kümmerte Ajana nicht. »Zu Hause habe ich jeden Tag geduscht«, erzählte sie beiläufig, während sie das Schulterband verknotete.
»Geduscht?« Die junge Wunand runzelte die Stirn.
»Oh, entschuldige. Ich war ganz in Gedanken.« Ajana errötete. Bisher hatte sie immer darauf geachtet, beim Sprechen Wörter oder Hinweise auf ihre Welt zu vermeiden, die hier in Nymath keine Bedeutung besaßen. Sie wollte die Menschen auf keinen Fall in Verlegenheit bringen oder ihnen das Gefühl geben, Nymath sei ihr zu primitiv. Nun ärgerte sie sich, das Duschen erwähnt zu haben.
»Das ist so, als ob man sich in den strömenden Regen stellte«, erklärte sie etwas unbeholfen. »Warmes Wasser fällt von der Decke, und man stellt sich darunter, um sich zu waschen.«
»In deiner Welt regnet es in den Hütten?«, fragte Maylea sichtlich verwirrt nach.
»Na ja, nicht überall.« Ajana lächelte und suchte nach einer verständlicheren Erklärung. »Nur in einem einzigen Raum. Den nennen wir Badezimmer. Und auch da nicht immer. Wir können den Regen ein- und ausschalten.«
»Emo! Das ist Magie!« Maylea staunte.
»Nein, das ist Technik.« Ajana schüttelte den Kopf. »In meiner Welt gibt es keine Magie. Nur Dinge, die vielleicht so erscheinen mögen.«
»Erzählst du mir davon?« Maylea brannte ganz offensichtlich darauf, mehr über Ajanas Welt zu erfahren, doch im Gegensatz zu Abbas, der ihr auf der Reise zum Arnad fortwährend Fragen gestellt hatte, wusste die Wunandamazone sich zurückzuhalten.
»Vielleicht später«, erwiderte Ajana ausweichend. Die wenigen Worte über ihr Zuhause waren ihr nicht leicht gefallen. Noch immer schürte es das Heimweh in ihr, wenn sie darüber sprach, und sie spürte, dass sie keine lange Rede über ihre Welt würde führen können, ohne in tiefer Traurigkeit zu versinken oder gar weinen zu müssen – eine Blöße, die sie sich nicht geben wollte. So wechselte sie hastig das Thema, indem sie fragte: »Zeigst du mir, wo ich baden kann?«
Zu Ajanas großer Überraschung führte Maylea sie nicht nach draußen an einen klaren Bergsee, sondern tiefer in das Höhlenlabyrinth hinein. Ihr Weg führte sie durch gewundene, verzweigte Tunnel mit viel zu niedrigen Decken und schwarzen Wänden und vorbei an mit Fellen verhängten Eingängen, die in unterschiedlich große Räume führten. Auch hier war es nicht dunkel, doch im Gegensatz zu den vorderen Bereichen, in denen es neben Fackeln noch Spuren von Sonnenlicht gab, entstammte die Helligkeit einer gänzlich anderen Quelle.
Im Innern der Berge entströmte das diffuse Licht demselben moosartigen Geflecht, das Ajana schon einmal in der Höhle der Seelensteine gesehen hatte. Auch hier spannte es sich wie ein leuchtendes Netz über die Wände und die Decke der Tunnel und erhellte diese mit seinem milden, grünlichen Licht.
Ajana fragte Maylea verwundert nach dem Ursprung der Pflanzen, aber auch der jungen Wunand waren die seltsamen Geflechte fremd. Selbst von Oona hatte Maylea nicht viel darüber erfahren können. Sie wusste nur, dass sich die Geflechte von den Steinen ernährten und dass von ihnen keine Gefahr ausging.
Je weiter sie in den Berg vordrangen, desto mehr Moos wucherte an den Wänden. Gleichzeitig wurde es heller und wärmer. Wie schon in dem Raum, in dem Ajana die Nacht verbracht hatte, entströmte die Wärme auch hier unmittelbar dem Gestein der Höhlenwände.
Warmes Gestein! Wenn Ajana es nicht mit eigenen Händen gespürt hätte, sie hätte es kaum für möglich gehalten. Maylea erklärte ihr, dass die glühenden Fluten des Wehlfang-Grabens das Gestein erwärmten, doch Genaueres wusste sie darüber auch nicht zu berichten.
Die Wenigen, die ihnen auf ihrem Weg begegneten, grüßten schweigend, indem sie
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