Das Erbe der Runen 2 - Die Feuerpriesterin
verstummt.
Vhara atmete auf, straffte sich und sah sich um.
Die Gestalt der Serkse schwebte noch immer über dem feurigen Strom. Die Herrin über das flüssige Feuer lächelte so ungerührt, als sei nichts geschehen, doch die spöttische Genugtuung, mit der sie Vhara bedachte, sagte mehr als alle Worte.
»Du wolltest Krieger?«, fragte sie, deutete auf den Wehlfang und fügte, ohne eine Antwort abzuwarten, hoheitsvoll hinzu: »Hier sind sie. Damit ist der Pakt erfüllt. Ich werde deine Anwesenheit hier dulden, wie ich es einst zusagte. Willkommen bist du mir nicht. Erwarte also nicht noch einmal Hilfe von mir.«
Vhara sah, wie die Oberfläche des Feuerstroms erneut zu brodeln anfing. Überall stiegen rote Blasen wie schäumendes Blut träge in die Höhe und zerplatzten an der Oberfläche. Manches Mal glaubte sie darin dunkle Flecken zu sehen, die kurz aus der glühenden Masse auftauchten und wieder verschwanden, doch der Eindruck war zu flüchtig, um zu erkennen, was es war.
Als sie den Augenblick der Schwäche überwunden hatte, trat sie näher an das Ufer heran. Endlose Herzschläge lang sah sie nur die seltsamen schwarzen Flecken inmitten der blutigen Blasen, doch dann tauchte ganz unvermittelt das erste abscheuliche Abbild einer schwarzen verstümmelten Hand aus dem Wehlfang auf.
Der einen folgten weitere, die sich in greifenden und zupackenden Bewegungen aus der flüssigen Glut emporreckten. Langsam bewegten sie sich von der Mitte des Flusses auf die Ufer zu, wo sie sich Hilfe suchend an den schwarzen Felswänden entlangtasteten. Dabei glitten die entstellten Gliedmaßen immer wieder von dem glatten Felsgestein ab, das unter der enormen Hitze zu Glas geschmolzen war. Doch sie gaben nicht auf. Schließlich fanden die ersten Hände einen Halt, und der Wehlfang gebar seine Kinder.
Kleine, dürre Gestalten von menschlicher Statur und schwärzer als die Nacht, krochen mit steifen, ungelenken Bewegungen aus den rot glühenden Fluten und erklommen die Ufer wie dunkle Spinnen. Die Triumphschreie jener, denen der Aufstieg gelang, mischten sich mit dem entsetzten Kreischen derer, die keinen Halt fanden und zurück in das flüssige Feuer stürzten. Manch einer hatte das rettende Ufer schon fast erreicht und fiel dennoch wieder in die Tiefe, weil sich ein anderer an ihm festklammerte.
Hilfe gab es keine.
Wer den mühsamen Aufstieg beendet hatte, kümmerte sich nicht um jene, die ihm folgten. Nicht eine Hand streckte sich jenen entgegen, die den beschwerlichen Weg noch vor sich hatten. Hingegen wurde, wer an der senkrechten Wand einen Halt gefunden hatte, von den Nachfolgenden rücksichtslos als Tritt benutzt. Die derart Missbrauchten wiederum zögerten nicht, ihre Peiniger von der Wand zu reißen, indem sie diese an den Füßen packten und ihnen ihren Halt raubten.
An den steilen Uferwänden tobte ein harter, unbarmherziger Kampf. Viele mussten den Aufstieg ein halbes Dutzend Mal beginnen, ehe sie das rettende Ufer erreichten. Doch obwohl etliche zurückgeworfen wurden, gelang es mehr und mehr schwarzen Gestalten, das Ufer zu erklimmen.
Nach einer Zeit, die niemand zu ermessen vermochte, beruhigte sich der Wehlfang. Die schäumenden Blasen verschwanden, und der letzte schwarze Körper schob sich über die Uferkante, wo er sich mit schleppenden Schritten zu den anderen gesellte.
Stille kehrte ein.
Eine Stille, die nur von dem steten Zischen des Wehlfangs und von einem leisen Knistern unterbrochen wurde, das von den seltsamen Geschöpfen ausging, die nun reglos am Ufer des unterirdischen Stroms standen und abwarteten.
Aus der Ferne hätte man sie für Menschen halten können – knapp drei Dutzend kindsgroße Geschöpfe, die aufrecht gingen und deren Gliedmaßen denen eines Menschen glichen. Doch die Ähnlichkeit war nur vage. Die Arme schienen ein wenig zu lang, der Rücken zu gebeugt und die Haut von unzähligen glühenden Adern durchzogen, die aufflammten und wieder vergingen, wobei sich ihre Anordnung ständig zu verändern schien. Die rot glühenden Augenpaare hingegen, die von keinem Lidschlag verdeckt wurden, bewegten sich nicht. Sie waren starr auf einen einzigen Punkt in der Finsternis gerichtet – auf Vhara.
»Deine Krieger!« Die Gestalt der Serkse schwebte heran, ohne jedoch den Flusslauf zu verlassen.
»Dreißig? Mehr nicht?« Vhara konnte nicht glauben, was sie sah. »Dreißig dürre Aschewesen, die zu Staub zerfallen, wenn man sie nur berührt? Das ist kein Heer, das ist …«
»Du
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