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Das Erbe der Uraniden

Titel: Das Erbe der Uraniden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Dominik
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Ich las noch einmal den Bericht jener Polizeiwache. Da stand zum Schluß: anscheinend erfroren. Nun, daß fünf erwachsene Männer bei null Grad auf einer Bank erfrieren, erschien mir wenig glaubwürdig. Ich verlangte den Bericht der Wetterwarte. Dieser bestätigte, daß das Thermometer in der Nacht nur einen halben Grad unter Null gesunken war.
    Der Fall begann mich zu interessieren. So, daß ich selbst zum Schauhaus fuhr, ihn näher zu untersuchen. Zu meinem Erstaunen bestätigte der Arzt des Schauhauses als Todesursache Kältetod.
    Ich wollte mir eben die den Toten abgenommenen Sachen ansehen, da erreichte mich die Nachricht von jenem Vorfall – Sie wissen ja, der Mord an Lord Milligan –, und zwang mich, sofort hinzufahren. Es wurde Nachmittag, bevor ich zum Schauhaus zurückkam. Ich ließ mir die Hinterlassenschaft der fünf Männer bringen.
    Wäre nicht der Gedanke, daß man jemals etwas von der Leeschen Expedition, wiedersehen würde, absurd gewesen, würde ich selbstverständlich nach diesen Papieren die Toten agnosziert haben. So mußten wir an eine Mystifikation glauben. Doch je länger ich mich mit den Papieren beschäftigte, desto größer wurden meine Zweifel. Das Nächstliegende war, Verwandte, Freunde der Toten, die Namen waren uns ja bekannt, herbeizurufen. Ich tat das. –
    Meine Herren! Sie können versichert sein, daß mich selten etwas so erschüttert hat wie der Augenblick, in dem Lees Witwe an die Leiche ihres Gatten trat, sich mit einem Schrei darüber warf und in Weinkrämpfe verfiel. Nun bestand kein Zweifel mehr. Ähnliche Szenen spielten sich ab, als Freunde und Verwandte in den anderen Toten die Teilnehmer der Expedition wiedererkannten.
    Nachdem die grenzenlose Überraschung, die ungeheure Erregung ein wenig gewichen war, begegneten wir uns alle in der Frage: Wie kamen die Toten in den Hydepark?
    Meine Herren! Das Rätsel der Leeschen Expedition dürfte mit diesem tragischen Abschluß gelöst sein. Bliebe die neue Frage, das neue, noch größere Rätsel:
    Wer brachte die Leichen nach London?
    Meine Herren, ich bin gespannt auf Ihren Bericht in den Morgenblättern. Es bleiben Ihnen noch drei Stunden, Ihren Scharfsinn zu versuchen.«
    *

Auf der Terrasse seiner Hazienda saß der alte Stamford im Gespräch mit seinem Neffen Dr. Sidney Stamford.
    »Nein, mein lieber Sidney! Santa Marguerita verkaufen? Das muß ich mir noch sehr überlegen! So schnell gibt man einen Besitz nicht auf, den der Urgroßvater gerodet hat. Du weißt doch, Señor Canning bot mir das Doppelte des Wertes, und doch tat ich’s nicht, auch auf die Gefahr hin, mir seine bittere Feindschaft zuzuziehen. Der Brand auf Coiba soll auch die Pampas bedrohen? – Nun, ich denke, diese Mär wird wenig Glauben finden, und wenn auch tausend Sachverständige es behaupten. Ich will deinem Freunde Weland nicht zu nahe treten. Wissenschaftliche Irrtümer sind ja schon öfter passiert. Es wäre doch schade um die gute alte Erde, wenn sie ausgerechnet auf ihre alten Tage, statt weiter zu erkalten, wieder glühend werden sollte…«
    Er lachte aus vollem Halse. Auch die sechs anderen Männer in dem Raum, des alten Stamford Söhne, stimmten ein.
    »Übrigens ein merkwürdig schweigsamer, düsterer Geselle, dein Freund Weland! Ist er immer so?«
    Sidney Stamford wollte antworten: Nein! Erst seit er den Brand auf Coiba gesehen, hat sich sein Wesen verändert. Doch er hielt seine Worte zurück, wußte er doch, daß die anderen ihn nicht verstehen würden. So sagte er leichthin:
    »Er hat viel Schweres erlebt… lassen wir ihn! Doch jetzt will ich nach Buena Vista zu van der Meulen hinüberreiten. Am Abend werde ich wieder hier sein.«
    *
    Während Sidney Stamford an der Parkmauer von Buena Vista entlangritt, spähte er angestrengt durch das grüne Gewirr der Blätter. Vielleicht, daß er Violet sehen, sie allein sprechen konnte. Ein Abschied auf längere Zeit stand bevor.
    Gorm – er hatte ihn bei seinen Verwandten unter dem Namen Weland eingeführt –, Gorm plante Neues, Unerhörtes. Sein Riesengeist trug sich mit Unternehmungen, vor deren Größe und Kühnheit Sidney Stamford verstummte.
    In jenen Tagen von Lahore hatte der Einsame in seinem Lebensretter einen Freund gefunden, dem er sich rückhaltlos offenbarte. Nur langsam faßte es dieser. Und als ihm aufgegangen war, was Gorm gefunden und ersonnen, hatte er sich ihm vorbehaltlos mit Haut und Haar verschrieben.
    Und doch – als er um sich schaute und überblickte, was er aufgeben,

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