Das Erbe der Uraniden
neben Lee, reichte ihm das Banner. Der nahm es und stieß den Stock kraftvoll in die Erde. Ein leichter Windstoß entfaltete die Farben.
Sie waren am sanft abfallenden Rand eines Hochplateaus gelandet. Unter ihnen lag eine weite, baumlose, mit Gras bewachsene Ebene, durch die sich ein schmaler Wasserlauf schlängelte.
Nach Osten stieg die Landschaft zu einem steilen Höhenrücken auf, einem Ausläufer der großen Hochgebirgskette, die sich von Norden nach Süden zog.
In weiter Ferne stieß unvermittelt ein steiler, spitzer Felskegel empor, aus dessen Gipfel dünner, schwarzer Rauch quoll. Südlich davon, am Rande des Plateaus, war eine Stelle, als ständen dort die Ruinen von alten Schlössern, hier und da noch von einem von der Zeit verschonten Turm, einer übriggebliebenen Zinne überragt. Dazwischen standen einzelne gerade Säulen, wie von Menschenhand aufgerichtet. Und doch war alles nur ein Spiel der Natur – ein gewaltiges Erdbeben hatte wohl die riesigen Steinmassen umhergeschleudert, und der Zufall hatte ihnen die verschiedenen Stellungen und Lagen gegeben. Über alledem lag ein bewölkter Himmel. Nur wenige blaue Flecken waren zwischen den Wolkenhängen. Gedämpftes Sonnenlicht hing über dem Ganzen.
Minutenlang starrten alle mit neugierigen Augen auf das Bild. Die neue Welt! Und doch, solange man auch nach Neuem, Ungekanntem spähte – die Landschaft, im ganzen genommen, schien nicht anders als ein Geländeausschnitt der alten Erde. Dazu die Bäume, Sträucher und die Vogelwelt, soweit sie der Blick fassen konnte, kaum verschieden von denen der Erde.
Plötzlich riß Ricardo Stamford sein Fernglas vor die Augen und spähte in die weite Grasebene. Er schrie laut: »Ich will nicht meines Vaters Sohn sein, wenn da unten nicht eine große Büffelherde heranzieht.« Er reichte das Glas Hierra.
»Richtig«, erwiderte der. – »Nun, dann wären ja wohl Perspektiven auf eine Hazienda á la Marguerita gegeben.«
»Das erste Ziel ist erreicht, nun nicht länger säumen, jetzt gilt’s das zweite: Den Platz finden, wo die Uraniden gelandet sind. Vergessen wir nicht, in spätestens vier Stunden wird auch der Stern von Südafrika landen. Nach dem Stand der Sonne zu urteilen, dürfte nach Venusortszeit die dritte Mittagsstunde überschritten sein. Der Stern wird kurz vor Sonnenuntergang kommen. Daß er ebenfalls die nördliche Halbkugel der Venus ansteuern wird, ist selbstverständlich. Ebenso, daß er, wie wir, westlich jener Gebirgszüge zu landen suchen wird. Nach den Beobachtungen der Berliner und Londoner Warten muß sich das Lager der Uraniden westlich dieser Höhenketten befinden. Hat der Stern Glück, landet er dieser Stelle vielleicht näher als wir. Sie sehen, Eile ist geboten. Alles an Bord!«
Ein paar Minuten später hob sich der Jonas Lee in die Luft.
In langsamer Fahrt trieb das Raumschiff in geringer Höhe über das Land. Das Hochgebirge zur Rechten, suchte man aufmerksam nach jener Stelle, die die Filmbilder als Lagerplatz der Uraniden gezeigt hatte. Alle, außer Hierra, der das Schiff führte, spähten mit scharfen Gläsern das unter ihnen liegende Gelände ab, jeder ein Foto der Uranidenbilder vor sich.
Doch die Zeit verrann. Immer weiter trieb das Raumschiff nach Norden. Nichts war zu sehen.
»Vielleicht, daß eine andere Gebirgskette, die ähnlich läuft, die richtige ist, Mr. Lee«, flüsterte Ricardo ihm zu.
Ronald Lee schüttelte den Kopf. »Es kann nicht sein. Diese charakteristische Gipfelhäufung im Süden stimmt unbedingt mit den Filmbildern überein. Ich glaube nur, daß wir aus übertriebener Vorsicht zu weit westlich jenes Gebirgsmassivs suchen. Wir werden umwenden, wieder nach Süden fliegen und dabei näher östlich an das Gebirge herangehen. Jener Vulkan ist leider nicht auf dem Filmbild zu sehen, doch ich vermute fast, daß in seiner Nähe die gesuchte Stelle liegt.«
Er rief Hierra durch das Sprachrohr den Befehl zu, das Schiff zu wenden. Dann begab er sich mit Ricardo nach der Backbordseite und übernahm dort die Beobachtung.
Das Schiff trieb nach Süden und näherte sich dabei den Höhenzügen, in welche das Massiv auslief.
»Langsam fliegen!« schrie Ricardo Stamford plötzlich in das Sprachrohr, stieß Lee an.
»Da unten! Süd zu Südost! Die hohe Baumgruppe hart an der Bergnase… dahinter ein kleines Plateau… mitten darauf… sehen Sie nicht auch?«
»Das Uranidenschiff! Bei Gott, Don Ricardo, Sie haben recht! Es ist’s!«
Lee stürzte zum
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