Das Erbe der Uraniden
näherkommen.
Eine Überraschung bot eine kleine Kabine, anscheinend der Wohnraum des Kommandanten. Einige Bilder hingen an den Wänden. Familienangehörige vermutlich. Zwei Frauenköpfe, ein paar Kinderfiguren. Gewisse Ähnlichkeiten in den Zügen der Kinder ließen auf Verwandtschaft mit dem Führer schließen. Die natürlichen Farben der Bilder zeigten eine Bevorzugung der bläulichen und violetten Töne und brachten etwas Fremdartiges in die Figuren, obwohl die Gesichtsbildung durchaus derjenigen irdischer Menschen entsprach.
Lee staunte und überlegte. Aber freilich, es mußte so sein. Die Uraniden wohnten ja im Schein einer viel heißeren Sonne. Viel weiter nach der blauen Seite des Farbenspektrums hin lag das Strahlungsmaximum jenes Feuerballes, der ihren Planeten beleuchtete. Ebenso wie das Menschenauge sich in unendlich langer Entwicklung der Sonnenstrahlung angepaßt hatte, deren Höchstwert im Grüngelb liegt, so das Auge dieser Uraniden an die stärkere blaue Strahlung ihrer Sonne.
Auch ihre Körpergröße unterschied sich von der irdischer Menschen. Wohl um Haupteslänge mußten sie diese durchschnittlich überragen. Untrüglich ging das aus den Abmessungen der Möbelstücke hervor. Die im allgemeinen verblüffende Übereinstimmung dieser Sternenmenschen mit den Erdbewohnern war nur so zu erklären, daß ihr Heimatstern ganz ähnliche physikalische Verhältnisse und Lebensbedingungen bieten mußte wie die Erde. Nur dann konnten dort nach dem Grundsatz von der Universalität der Naturgesetze menschengleiche Wesen entstehen.
Lange stand Lee vor den Bildern dieser Uraniden. Wie mochten diese jetzt des kühnen Mannes gedenken, des Vaters, des Gatten. War es den Weltraumfahrern möglich gewesen, in Radioverbindung mit dem Heimatstern zu bleiben? Wußten die Angehörigen, welch trauriges Schicksal ihre Lieben ereilte? Unüberbrückbar für irdische Technik blieb diese Riesenentfernung.
Wie wohlig war das Gefühl für ihn und seine Genossen, mit den Angehörigen auf der Erde jederzeit Nachrichten austauschen zu können… Hortense! Seine Gedanken flogen zu ihr. Mit zärtlicher Ungeduld erwartete er schon längst Antwort auf seine Siegesmeldung. Seine Gedanken gingen weiter. Wie lange würde es dauern, und sie kam mit van der Meulen und Violet hierher. Sein Glück wäre dann vollkommen.
Er durchsuchte noch einmal das ganze Schiff. All sein Interesse war darauf gerichtet, die Ursache zu entdecken, die jene zur Notlandung hier auf der Venus genötigt hatte. Eine Notlandung mußte es gewesen sein, denn sonst hätten sie die im Verhältnis zu ihrer Riesenfahrt winzig kleine Strecke bis zur Erde auch noch zurückgelegt. Sorgfältig prüfte er jeden Teil, jeden Hebel der Apparatur… und wurde an sich selber irre. Da mußten doch wichtige Teile des Triebwerkes fehlen… Hatte man sie herausgenommen, um sie zu reparieren? Oder wo waren sie geblieben? Vergeblich suchte er die Lösung des Rätsels. Er trat jetzt in die Öffnung der Außentür. Sein Blick ging zu dem zweiten Empfangsapparat aus dem Jonas Lee, den Hierra hier aufgestellt hatte. Er sah schärfer hin. Der Fernschreiber arbeitete. Er eilte hinzu, nahm das Papierband in die Hand und las…
Der Glückwunsch aus Buena Vista… die Namen van der Meulen, Hortense, Violet… die Buena Vista startbereit. Das war das wichtigste. In 36 Stunden würde sie landen. Seine Gedanken verwoben sich mit dem Schiff. Es war in allen seinen Teilen gebaut wie der Jonas Lee. Sein Kapitän Juan Urdaneda war ein unbedingt zuverlässiger, tüchtiger Ingenieur. Er würde seine Leute sicher hierherführen…
Doch vorher würde Canning kommen. Dies Zusammentreffen von Menschen, die gemeinsames Schicksal zu verbinden und nicht loszulassen schien – ein Konflikt mit den Männern des Stern von Südafrika –, er konnte ihm ruhiger entgegensehen. Die Verstärkung seiner Macht durch das zweite Schiff war in jeder Beziehung wertvoll, da weitere Schiffe aus der Südafrikanischen Union vorläufig nicht zu erwarten waren.
Sein Auge ging zur Sonne. Sie neigte sich dem Saume der riesigen Ebene im Westen zu. Bevor das Tageslicht schwand, mußten sie wieder da sein, seine Gefährten.
Ob Ricardo und seine Brüder etwas gefunden hatten? Die Frage war so wichtig! Und doch gab es in seinem Innern kaum einen stärkeren Grad der Spannung. Alles, was sein Hirn aus dem hier Geschehenen kombinierte, ließ ihn nur wenig hoffen.
Vielleicht ist es besser so, murmelte er resigniert. Er ist der
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