Das Erbe der Uraniden
von der Medizin ein, worauf dieser wieder in Schlaf versank.
Da kam Hierra aus dem Raumschiff gestürzt.
»Eine gute Nachricht! Vielleicht, daß wir sie ihm sagen können.«
Royas winkte zu schweigen. »Still! Er schläft. Nichts darf ihn stören. Was ist’s?« Er trat näher zu Hierra.
»Ein Radiogramm der Buena Vista. Noch vor Einbruch der Nacht wird sie hier sein. Sie haben einen kleinen Umweg gemacht und den Mond angesteuert. Der Pestbrocken von Coiba… hat Unheil angerichtet.« –
Die nahe Ankunft der Buena Vista war im Nu überall bekannt. Auch in Cannings Lager erfuhr man durch Oberst Robartson, der mit Rücksicht auf den Unfall Lees ab und zu in das Uranidenlager kam, davon. Hier löste sie starkes Mißbehagen aus. Besonders bei Canning. Dessen Laune schien von Tag zu Tag schlechter zu werden. Eine auffällige Gereiztheit, eine überstarke Nervosität schien ihn befallen zu haben. In der vergangenen Nacht war es besonders schlimm mit ihm gewesen.
Ruhelos war er in dem engen Zelt hin und her gewandert. Er hatte fast die ganze Nacht keinen Schlaf gefunden. Man schob es darauf, daß durch die Verstärkung der Leeschen Expedition die Lage sich zu seinen Ungunsten ändern würde. Die Mitfahrt des Generals Serrato, der zweifellos im Auftrage seiner Regierung kam, machte unter Umständen Zwangsmaßregeln gegen ihn möglich.
*
»Der Mond in Brand!« Die Hubschraubersternwarte von Berlin bestätigte die Meldung der Buena Vista.
Coiba! Die Nachricht aus Berlin lenkte die Aufmerksamkeit der Menschheit wieder voll auf das Unheil, das sich dort vollzog, auf die furchtbaren Kräfte, die bei dem Atombrand unaufhaltsam die Zerstörung der Materie verursachten, jeder menschlichen Abwehr spottend. Sie mußten, von Coiba weiterwirkend, den mittelamerikanischen Isthmus, die beiden nächstliegenden Kontinente, schließlich die ganze Erde ergreifen.
Wenn je, so war jetzt auf die neuen Nachrichten hin der Flug der Raumschiffe, die Eroberung des neuen Weltteils so aktuell wie möglich. Wenn auch viele Jahrzehnte vielleicht vergehen mochten, ehe die ganze Erde vom Feuer ergriffen war, einmal mußte der Tag kommen, wo keines Menschen Fuß mehr auf ihr weilen konnte.
Daß die Venus vorläufig die einzige Zuflucht sein würde, stand außer Zweifel. Wer aber würde ihr Herr sein? Wer hatte die Macht, das Recht, den besten Teil als Beute zu beanspruchen?
Die allgemeine Meinung hatte sich bisher überwiegend auf die Seite der Südamerikanischen Union gestellt.
Doch jetzt, wo die Gefahr des Weltbrandes, des Zwanges für die Menschheit, nach neuen Stätten zu suchen, so klar, so dringend vor Augen geführt wurde… jetzt erhoben sich immer mehr Stimmen, die eine Konferenz der Weltstaaten befürworteten und eine gerechte, den bisherigen Wohnstätten der Menschheit entsprechende Siedlungsmöglichkeit verlangten.
Inzwischen schien sich hinter den Kulissen ein lebhaftes Diplomatenspiel zu entwickeln. Man erfuhr, daß die Geschäftsträger der beiden großen Staatengruppen Südamerikas und Südafrikas häufige Besuche in den betreffenden Auswärtigen Ämtern machten. Auch aus der immer heftiger werdenden Sprache der offiziösen Blätter war zu entnehmen, daß die Lage sich bedrohlich zuspitzte. Die Südafrikanische Union schien gewillt, ihre Aspirationen auf jenen Nova America getauften Venusteil erneut mit allen Kräften durchzusetzen. Zum wenigsten, was den nördlichen Teil von Nova America betraf. Überängstliche Gemüte sahen schon in jeder harmlosen Truppenverlegung die ersten Schritte der militärischen Mobilisation.
Der schnelle Start der Buena Vista hatte in der Südafrikanischen Union ungemein verblüfft. Gewiß wurden die Besitzverhältnisse des neuentdeckten Landes nicht auf der Venus selbst entschieden, doch sah man der Verstärkung der südamerikanischen Expedition durch die Mannschaft der Buena Vista – es hieß, Serrato sei mit ausgewählten Leuten und stärkster Bewaffnung geflogen – mit steigender Erregung zu. Vergeblich suchte man die südafrikanische Regierung darüber auszuholen, welche Instruktionen Canning nachgesandt wären.
*
Da lag es vor ihnen, Nova America! Der dichte Wolkenhimmel, wie zu ihrer Begrüßung von freundlicher Hand weggewischt, gestattete dem Auge ein umfassendes Bild des neuen Landes.
Aus dem breiten Silbergürtel der Meere hob sich, von den Sonnenstrahlen überflutet, in zauberischer Schönheit der paradiesische Boden. Wechselnd Wälder und Grasflächen, von unzähligen
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