Das Erbe der Vryhh
Feststeilung -, aber sie erinnerte sich zu gut an das Kind in ihren Armen. Wie sie sehr wohl wußte, entsprachen die vagen Traumbilder, die an ihrem inneren Auge vorbeischwebten, kaum der Realität. Aus Säuglingen wurden eigenständige Personen, die auf ihrem Lebensweg nicht selten verbrannte Erde zurückließen. Und sie sah sich selbst, wie sie trotz der ihr von lanna gewährten Freiheiten gegen ihre Mutter gewettert und Dinge gesagt hatte, die sie jetzt zutiefst bedauerte. Außerdem gab es da noch das Diadem, ein Symbol für die Bande zwischen Aleytys und Leuten, die ihr, Shareem, für immer fremd bleiben mußten …
Denk nicht daran, Reem, sagte sie sich. Das alles hat keinen Sinn.
Du hast das für das geistige und körperliche Wohlergehen Aieytvs getan, was dir möglich war. Und gleichzeitig, fügte sie hinzu und geißelte sich damit, empfandest du jenes entzückende kleine Kind als Ballast. Du hättest es bei dir behalten, jederzeit zu ihm zurückkehren können. Es wäre nicht nötig gewesen, es auf Vrithian großzuziehen. Was ist mit dem Raumschiff? Aber du hast einfach die Hände in den Schoß gelegt. Das alles ist jetzt Vergangenheit. Du kannst alte Fehler nicht rückgängig machen, mußt mit ihnen leben.
Shareem blickte in Richtung Haus und schauderte. Hier draußen im Garten brannte die Sommersonne auf sie herab, konnte sie die Angst aus sich verbannen, sie völlig vergessen. Sie musterte ihre Tochter. Wie auch immer die Furcht Aleytys’ beschaffen sein mochte: Es ging dabei nicht um physische Gefahren. Aleytys offenbarte jene Art von wachsamer Ruhe, die Shareem des öfteren bei Kurzlebigen beobachtet hatte, mit denen sie jenseits des Nebels Kontakte pflegte - vorwiegend Männer, obgleich ihr nun auch die eine oder andere Frau einfiel, als sie eingehender darüber nachdachte. Ohne in verbale Prahlereien zu verfallen, erweckten sie den Eindruck, als könnten sie mit allem fertig werden. Es war nicht unbedingt das, was man gemeinhin als Mut bezeichnete, auch keine körperliche Kompetenz, eher eine bestimmte Geisteshaltung.
Shareem wußte nicht ganz genau, um was es sich dabei handelte, aber eins stand fest: Aleytys hatte diese Fähigkeit. Keine noch so heimtückische Aktion Keils konnte jetzt noch ihre Seibstsicherheit erschüttern. Shareem beneidete ihre Tochter, empfand auch so etwas wie dumpfen Verdruß. Sofort verjagte sie diese Emotionen aus ihrem bewußten Ich. Nein, nein, denk nicht mehr darüber nach: es bringt dich zu sehr durcheinander.
Der Gleiter stand auf dem Landeteller, kantig und wuchtig. Sein Konstrukteur hatte sich nicht die Mühe gemacht, die Häßlichkeit des Gefährts zu tarnen.
»Warte hier«, sagte Aleytys. Ihr Blick war auf den Schweber gerichtet, die Hand warm, die Berührung flüchtig und doch energisch, als sie Shareem dazu zwang stehenzubleiben. Mit vorsichtiger Wachsamkeit trat sie an den Gleiter heran und ging langsam um ihn herum. Shareem wußte, daß Aleytys sie jetzt völlig vergessen hatte, ganz allein auf den Schweber konzentriert war. Ihre Tochter bückte sich, stützte die Hände auf die Oberschenkel, schloß die Augen und rührte sich einige Sekunden lang nicht von der Stelle. Shareem seufzte, ließ sich im Gras nieder und wartete.
Die Zeit verstrich. Der Nachmittag neigte sich dem Abend entgegen, und das Krächzen von Möwen und anderen Seevögeln erfüllte die Luft, das rhythmische Rauschen der Brandung, das Plätschern des melodischen Springbrunnens. Hinter dem Haus ächzte leise der Wind, und in dem Gebäude erklang ein dumpfes und intervallartiges Stampfen, wie der Atem des Domes. Aleytys bewegte sich noch immer nicht. Und Shareem begnügte sich damit, ruhig im Gras zu sitzen. Nach einer Weile schloß sie die Augen und döste.
Als Aleytys jäh auf die Beine sprang und in den Gleiter kletterte, zuckte Shareem zusammen und hätte fast das Gleichgewicht verloren. Einige Sekunden lang verblieb ihre Tochter im Innern des Schwebers, und als sie wieder zum Vorschein kam, trug sie in den Händen vorsichtig ein kleines und schwarzes Ei.
Ihre Züge wirkten konzentriert und angespannt, als sie mit dem Objekt an den Rand der Klippen herantrat, der sich in unmittelbarer Nähe der schimmernden Energiebarriere des Domes befand.
Dort verharrte sie kurz. Sie öffnet eine Strukturlücke, dachte Shareem, den Blick auf den Rücken ihrer Tochter gerichtet. Sie preßte die Fingerknöchel auf die Lippen, während sie wartete.
Aleytys warf das schwarze Ei durch die Lücke in
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