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Das Erbe der Vryhh

Das Erbe der Vryhh

Titel: Das Erbe der Vryhh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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vergeblich bleiben mußte. Amaiki jedoch … Das war eine ganz andere Sache. In dieser Hinsicht konnten sie wirklich aktiv werden, um die Pläne des Mannes zu durchkreuzen, der ihnen aus purer Langeweile ihr Leben geraubt hatte. Willow tanzte diese Argumente mit ihrem ganzen Sein, untermalte sie mit den melodischen Andeutungen ihrer Lieder. »Jetzt«, sang sie. »Wir müssen jetzt unternehmen etwas.«
    Sonnenkind beobachtete gelassen die Auseinandersetzung zwischen Willow und Bodri. Er hatte schon andere Konfrontationen dieser Art erlebt, obgleich keine davon so heißblütig geführt worden war. Es gab einige Dinge, die er aussprechen wollte, wenn er den Zeitpunkt für geeignet hielt, doch es war sinnlos, sich an der Diskussion zu beteiligen, solange Bodri auf diese Weise reagierte.
    Er wartete darauf, daß der Käfermann sich entweder dazu bereit erklärte, Willow zu helfen, oder sich weigerte, ihr noch länger zuzuhören. Während der heftige Wortwechsel andauerte, amüsierte sich Sonnenkind damit, die emotionalen Bilder zu betrachten, die in aller Deutlichkeit durch das Bewußtsein Amai-kis schwebten. Er spürte ihre Verzweiflung, als er Keran, Muri, Kimpri, Betaki und Se-Passhi beobachtete, schließlich auch den kleinen Naish -
    Gesichter, die sich wie die Perlen einer Kummerkette aneinanderreihten. Der Jammer Amaikis belastete Sonnenkind nicht allzu sehr. Bei seinem Volk waren zwar starke emotionale Bindungen üblich, aber auch nur wenige. Zu seiner Familie gehörten drei Personen, für immer und ewig: Willow, Bodri und Kephalos. Und die intensivste Verbindung war die, die er zu den erwachenden Kephalos unterhielt. In gewisser Weise entsprach die Struktur seines Bewußtseins der des Sonnenkinds, und darüber hinaus teilte er viele seiner Interessen - auch wenn sich seine Denkweise völlig von der des Schimmerwesens unterschied. Abgesehen von diesen drei Wesenheiten, die Kell voller Hingabe und für alle Zeiten liebte, existierte niemand sonst für ihn, jedenfalls nicht in einer Weise, der irgendeine Bedeutung zukam. Die anderen mochten ihn verwirren oder sogar zornig werden lassen. Mit dem einen oder anderen spielte er vielleicht. Aber sobald sein Interesse an ihnen nachließ, wandte er sich von ihnen ab. Er fühlte sich ihnen nicht verpflichtet; sie waren für ihn nichts weiter als Trugbilder eines Traumlands.
    Die Diskussion wurde nun nicht mehr ganz so heftig geführt.
    Bodri nickte widerstrebend, und Willow lächelte, richtete ihre Aufmerksamkeit auf Amaiki. Sah die Verzweiflung in ihren Zügen, sah auch, wie sich die Gestalt Sonnenkinds veränderte. Sie schnappte nach Luft. Sprang an das goldene Schimmerwesen heran und holte aus. Die eine Hand drang in seine diffuse Körpersubstanz ein, was ihn nicht verletzte, jedoch erschreckte. Ruckartig wich er zurück, spürte den Ärger Willows wie einen Wind, der ihn jäh umheulte, der wie mit Nessein an der Peripherie seines Geistes entlangbrannte. Er schrie auf, gab ein hohes Schrillen von sich, fast wie das helle Sirren der Kimkim-Fliegen am Abend.
    Willows Wut legte sich wieder. Sie ging neben dem zitternden und gestaltlosen Konglomerat aus Licht in die Knie und sang zum zweitenmal an diesem Tag ihr Fort-mit-der-Pein-Lied. Sie strich sanft über die Konturen des Körpers Sonnenkinds, vorsichtig darauf bedacht, nicht die fragile Membran seiner Oberflächenspannung zu durchstoßen. Sie gab sich alle Mühe, mit dem Schock fertig zu werden, den emotionalen Aufruhr zu kontrollieren, der in ihr entstanden war, als sich Sonnenkind zuerst in Spatz verwandelte, dann in Maus und schließlich zu einem Otter wurde, der sich neben ihr auf dem Boden zusammenrollte. Sie sang sanfter und zärtlicher, bis ihre Stimme zu einem tröstenden Gurren wurde. »Ah-weh, beh-beh, ah-weh.« Erneut streichelte sie Sonnenkind und stand auf. »Er nur nachahmt«, erklärte sie Amaiki. »Er eigentlich nicht versteht, wie sich Mütter fühlen.« Sie stieß Sonnenkind behutsam mit dem einen Fuß an. »Ich sehe, daß du zu mir hochblinzelst, du Schlingel. Auf die Beine! Sag dieser Mutter, daß es dir leid tut.«
    Sonnenkind erhob sich bedächtig, wobei hier und dort Ver
    änderungen in seiner gleißenden Gestalt zu erkennen waren, hervorgerufen von den unterschiedlichen Vorstellungsimpulsen der beiden Frauen. Er warf Willow einen kurzen Blick zu und beobachtete, wie ihre Hände die Gesten beschrieben, die zu einem Spottlied gehörten, sah aber auch, wie sie lächelte. Er stand ganz auf und

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