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Das Erbe der Vryhh

Das Erbe der Vryhh

Titel: Das Erbe der Vryhh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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erst eins, dann zwei, drei, zehn, fünfzig. Hundert Jahrhunderte, ohne daß die Conoch’hi vergeblich auf den Winterregen warteten. Kein Wunder, daß sich niemand der Älteren mit den natürlichen Jahreszeiten des Hochlands befaßte, niemand Reservoirs angelegt hatte für den Fall, daß es einmal längere Zeit nicht regnete. Und überhaupt: Wer erinnerte sich jetzt noch an den natürlichen Verlauf der Jahreszeiten? Nicht einmal die Lebens-Gewebe berichteten von jenem fernen Damals. Wir brachten die Pflanzen mit, die uns Korn und Früchte schenkten, und wir zwangen das Land dazu, sich unseren Bedürfnissen anzupassen. Was war, muß immer so bleiben. Solange die Unsterblichen in ihren Domen verweilen würden, dachten wir, sei Frieden und Überfluß gesichert.
    Gelegentlich beklagten wir uns über die Strenge Hyarolls, wenn er unsere Söhne nahm, unsere Töchter und die meisten Naidisa, doch niemand träumte davon, ein Leben ohne sein Gebot zu führen. Wir waren verhätschelte Schoßtiere für ihn, Hyarolls Jejin, auf unsere eigene Art und Weise bezaubernd und nützlich - und wie die Jejin auf jenem Gehöft sind wir uns selbst überlassen, wenn er das Interesse an uns verliert. Die Jejin haben wenigstens einen Überlebensinstinkt, der ihnen hilft, mit den Erfordernissen des neuen Lebens fertig zu werden. Und wir? Das Land nimmt nun wieder seine ursprüngliche Gestalt an. In aller Eile, ohne einen Hauch von Barmherzigkeit. Und wir fliehen, hoffen vielleicht auf einen anderen Herrn, der wieder Ordnung bringt in unsere Existenz. Es war eine sehr bittere Lektion, die sich Amaiki an diesem Tag vom Knacken ausgetrockneter Äste und dem Knistern welker Blätter lehren ließ.
    Zwei Stunden vor Sonnenuntergang erreichte sie ein weiteres verlassenes Anwesen. Sie hielt den Schlitten an und blickte auf die Anzeigen. Zwei Drittel ihres Energievorrates waren verbraucht.
    Sie sah sich um. Wolken am Horizont voraus, nur einige Schleier und doch mehr, als sie in der letzten Zeit vom Dom aus gesehen hatte. Das Gras war von der Sonne gebleicht, aber noch nicht abgestorben, und in dem sich hinter dem Haus erstreckenden Obstgarten war hier und dort ein grünes Schimmern zu sehen. Der Zimral bewegte die Äste und Zweige der Bäume, und es sah aus, als winkten sie Amaiki wie Arme zu. Amaiki brauchte nun nicht mehr zu überlegen, wie lange sie schon unterwegs und wieviel Zeit seit dem Beginn ihrer Reise verstrichen war: Sie wußte, daß sie sich dem Rand des Hochplateaus genähert hatte. Sie hielt den Schneider bereit, und mit äußerster Wachsamkeit steuerte sie den Schlitten über den Zugangspfad in Richtung Haus.
    Sie spürte die stille Leere des Gehöfts, noch bevor sie den Gleitschlitten anhielt. An der vorderen Seite hatte man schwere Läden vor den drei Fensterreihen geschlossen. Das Gebäude schlief und mochte erst dann wieder erwachen, wenn die Stam-mes-Familien zurückkehrten. Amaiki lenkte den Schlitten um das Haus herum, und ganz langsam näherte sie sich der Rückfront. Keine Spuren, die auf einen Einbruch hindeuteten. Und wenn die Wölfe ein Anwesen heimsuchten, verloren sie nach dem Überfall keine Zeit damit, aufzuräumen und wieder Ordnung zu schaffen. Das machte sie nervös. Bisher war dieses Gehöft verschont geblieben - bedeutete das, daß die zweibeinigen Räuber in der kommenden Nacht zuschlugen? Sie sah mehrere Schuppen und Ställe und auch einen Silo. Gute Konstruktionen, und gepflegt noch dazu. Die Conoch’hi, die in diesem Land gearbeitet hatten, waren stolz auf ihr Heim und den Boden. Amaiki blickte sich um und beklagte mit ihnen zusammen die Notwendigkeit, das zurückzulassen, was Generationen ihres Stammes geschaffen hatten. Es stimmte sie deshalb traurig, weil sie Conc war, eine Schwester aller Conoch’hi - und weil dieser Ort sie zu deutlich an die Heimat erinnerte, die ihr Partnerschaftszirkel und Stamm dem Wind und der gnadenlosen Sonne überlassen mußten - und den Wölfen, die Häuser und Schuppen plündern und alles zerstören würden, was sie nicht gebrauchen konnten. Erneut sah sich Amaiki um und überlegte, wo sie die Nacht verbringen sollte. Nicht im Haus, nein. Im Silo? Kam auch nicht in Frage. Wenn die Wölfe Kedoa ritten - und das erschien ihr wahrscheinlich, da es in dieser Region praktisch keine Gleitschlitten und Transporter mehr gab -, so hielten sie bestimmt nach Resten von Korn Ausschau. In einem der Nebengebäude? Nein.
    Die Plünderer würden jede Tür aufbrechen, in der Hoffnung, wertvolle

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