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Das Erbe der Vryhh

Das Erbe der Vryhh

Titel: Das Erbe der Vryhh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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Pochen auf. Nicht einmal Schlamm war übriggeblieben. Das Haus: verschlossen. Doch irgend jemand hatte die Fensterläden zur Seite gezerrt, und die Scheiben waren gesplittert.
    Im Innern herrschte großes Durcheinander. Ein Ort, der von den Wölfen heimgesucht worden war, zweibeinigen Räubern, die alle irgendwie nützlichen Gegenstände fortgebracht und den Rest zertrümmert hatten. In der ganzen langen Zeit, von der die Lebensgewebe der Conoch’hi berichteten, gab es nur einige wenige Erzählungen von derartigen Verheerungen -geknüpfte Geschichten von Ereignissen, die sich vor der Ankunft der Unsterblichen zugetragen hatten, Überlieferungen von Überfällen durch die Shevorat-Galaphorze, haarige Wesen, die in Stämmen am Serzhairsee lebten.
    Vielleicht waren sie nach all den vielen Jahrtausenden des Friedens und der Sicherheit zu neuen Raubzügen aufgebrochen. Amaiki konnte keine Galaphorze-Witterung aufnehmen, doch das Anwesen war schon seit langer Zeit verlassen, und in der trockenen Luft hielt sich ein bestimmter Geruch nur vorübergehend. Möglicherweise auch abtrünnige Conoch’hi. So etwas kam vor. Amaiki verdrängte die Gedanken daran. All das, was sie kannte und schätzte, brach auseinander.
    Sie kehrte in den Schuppen zurück, und der vorherige Frohsinn war nurmehr eine Erinnerung. Jetzt bot sich ihr nicht mehr das vertraute und heimische Gefühl dar, das sie zuvor erfüllt hatte; statt dessen war ihr, als wandele sie durch einen Alptraum, als hielte die Stille eine gestaltlose Bedrohung bereit. Sie vertrieb einen verärgerten Jiji vom Schlafpolster und rollte die Unterlage zu einem Zylinder zusammen, den sie an den Schlitten band. Anschließend klappte sie die Ausleger mit den Solarzellen zurück, überprüfte die Taschen und Kisten, insbesondere die Behälter mit dem Wasser, und vergewisserte sich, daß sie fest verschlossen waren. Es sah ganz danach aus, als müsse ihr Vorrat an Trinkwasser genügen, bis sie den Fluß erreichte. Ein letztes-mal sah sich Amaiki um und bemerkte die Spuren, die ihre Sandalen im Staub zurückgelassen hatten. Inzwischen lebte der Wind auf. Aus Südwesten kam er, und er wehte mit dem leisen Heulen, das sie so gut kannte - der Zimral, der die Seele ausdörrte und den Verstand umwölkte. Jener heiße und beständige Wind würde die Spuren verwischt haben, noch bevor die Abenddämmerung einsetzte. Das wußte Amaiki ganz genau, doch die Vorstellung, sich nicht um sie zu kümmern, sie einfach so zurückzulassen, auf daß diejenigen, die an diesem Tag nach ihr hier eintreffen mochten, sie deutlich erkennen konnten, machte sie sehr nervös. Es erschien ihr, als trenne sie sich von einigen Teilen ihrer persönlichen Habe, wenn sie die Abdrücke im Staub nicht verwischte. Daraufhin griff sie nach einem Gräserbündel und machte sich daran, den Staub zu glätten und alte und neue Fußabdrücke verschwinden zu lassen. Als sie den Schuppen erreichte, zerriß sie die Halme in kleine Fetzen, die vom Wind davongeweht wurden. Sie zog sich den Mantel enger um die Schultern, knüpfte ihn vorn zusammen, stülpte sich die Kapuze über den Kopf und senkte den Schutzschleier. Dann schaltete sie die Elektromotoren des Gleitschlittens ein und fuhr los, ohne sich noch einmal umzublicken.
    Den ganzen langen Tag über bekam Amaiki niemanden zu
    Gesicht, obwohl sie an weiteren verlassenen Gehöften und Dörfern vorbeikam. Weit oben ließen sich einige Greifvögel von den Böenarmen des Zimrals tragen, doch die Tedo und anderen größeren Tiere des Hochlands verbargen sich vor dem Wind und der heißen Sonne. Nach all den Jahrtausenden, die die Conoch’hi in dieser Region gelebt und den Boden mit dem Fleisch und den Knochen ihrer Toten gedüngt hatten, verwandelte sich das Hochland in Wildnis zurück, in ein trockenes und karges Land voller Gefahren und Geheimnisse. Amaiki passierte ehemalige Obstgärten, in denen der Zimral tote Zweige knacken ließ und welke Blätter einen knisternden Grabgesang für das Land sangen. Ihr niedergeschlagener Blick fiel auf andere Anpflanzungen, in denen eingegangene Sträucher und Büsche ein Bild der Verzweiflung boten. Das Hochland war erwacht, als Hyaroll den Regen brachte, blieb nur deshalb am Leben, weil er in jedem Jahr neue Wolken beschwor, deren Nässe das heiße Antlitz dieses Teiles der Welt benetzten - Jahr um Jahr, so regelmäßig wie das Ticken einer Uhr, Jahr um Jahr, ohne daß der Regen auch nur ein einziges Mal ausblieb, Jahrhundert um Jahrhundert,

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