Das Erbe der Vryhh
strich mit den Fingerspitzen über die zarten und wunderschönen Formen. Ein Ring aus mit Edelsteinen besetzten Lilien, die aus Gold bestanden. Sie berührte einen der kostbaren Schmucksteine, und irgendwo tief in ihr vernahm sie ein kurzes Läuten. Die Kristalle in der Mitte der Blüten reflektierten das Sonnenlicht und verwandelten es in ein tausendfaches Glitzern. Das Diadem begann für sie zu singen und verzauberte sie mit einem Sehnsuchtsbann. Es erwachte nun wieder, rief nach neuen Seelenopfern. Aleytys gab einen dumpfen Schrei von sich, als Entsetzen in ihr emporflutete, als sie glaubte, dem Verlangen nicht länger widerstehen zu können, und sie schleuderte das Diadem von sich. Es fiel einige Meter entfernt ins Gras. Das Läuten verklang, als das Kleinod nicht länger die Wärme registrierte, die von den Händen der jungen Frau ausging.
Es war, als hülle sich ein Schleier um das Bewußtsein Aleytys’.
Es fiel ihr schwer, einen klaren Gedanken zu fassen. Das Bild vor den Augen verschwamm. Was … Das symbolische schwarze Wasser in ihr begann zu brodeln. Sie verdrängte das Erschöpfungsgift aus sich, was jedoch kaum zu einer Besserung ihres Zustands führte. Der Schleier aus Benommenheit erweckendem Dunst verdichtete sich, wurde zu einem milchigen Nebel, in dem sich ihre Gedanken verflüchtigten. Finsternis breitete sich in ihrem Schädel aus, die Schwärze einer Nacht, in der sich ihr Geist verlor. Jemand
… Aleytys drehte sich um, starrte mit gerunzelter Stirn auf den Haufen aus Metall und Kunststoff, der den größten Teil des Innenschotts blockierte … Etwas übte zunehmenden Druck auf ihren Geist aus, drohte ihn zu zermalmen … Kell … Gefangen in dem Stahl, von dem er sich Schutz versprochen hatte … Eine Erinnerung: Kell, heimgesucht von einer Krankheit, die ihn langsam umbrachte, kaum mehr als ein Schatten in dem Schützgerüst, das einem insektoiden Außenskelett ähnelte … Aleytys spürte seine Präsenz, spürte den von ihm ausgehenden Haß. Er hatte einen Schalter betätigt, einen, der von Aleytys übersehen worden war, die mentalen Schilde gesenkt - die Schilde, die seine Gedankenimpulse vor dem Kephalos verborgen hatten. Ja, jetzt ließ er diese Barrieren fallen, um Aleytys anzugreifen. Sein Körper war gefangen, nicht jedoch sein Geist. Ein heftiger mentaler Hieb ließ Aleytys erschauern. Sie konnte sich plötzlich nicht mehr von der Stelle rühren, sich nicht wehren. Sie kämpfte gegen den Kokon der Kontrolle an, den Kell um sie gestülpt hatte. Dumm, so dumm, ihn zu vergessen und sich ausschließlich auf den Leichnam Shareems und den Seelentransfer Harskaris zu konzentrieren. Aleytys stemmte sich dem starken Widerstand entgegen, schaffte es, die Arme zu heben, schlang sie um sich, preßte sie auf die Brüste, neigte den Kopf. Sie kniete in einer silbrigen Blase, so zart wie Rauch, und im Innern entluden sich enorme Kräfte … kein Entkommen … kein Entkommen … nein … nein … hineinkriechen wie eine Schlange … Haß … Zorn … Ranken aus widerlichem Qualm, die sich am Rand der Blase dahinwanden … Die Membran gab nach …
Aleytys verstärkte den Druck auf die schwache Stelle … so langsam … so schwer … und ohne das Diadem noch langsamer, noch schwerer, träge und müde … die Blase begann sich aufzulösen, als sie sich von Furcht ablenken ließ … nein … nein! Wenn sie dem Druck nachgab, so bedeutete das, daß ihr Lebenslicht wie von einer jähen Sturmbö ausgeblasen wurde. Sie erhob sich auf die Knie, brachte das eine Bein in die Höhe, stützte den Fuß ins Gras, ließ das andere Bein diesem Bewegungsmuster folgen, stemmte sich in die Höhe und stand auf, schwankend, ein wenig nach vorn gebeugt. Schritt für Schritt näherte sie sich Kell, kämpfte dabei nach wie vor gegen den Orkan seines Willens an. Von einem Augenblick zum anderen ließ der von ihm ausgehende Druck nach.
Aleytys stolperte, wäre fast zu Boden gefallen, taumelte einige Schritte und wimmerte. Anstatt mit einem beständigen Druck setzte Kell ihr mit einzelnen Hieben zu, die sie aus dem Gleichgewicht bringen sollten. Sie erreichte den Rand des Landetellers und sank dort auf die Knie. Und sie konnte den Triumph Kells spüren, als er zu einer weiteren Attacke ansetzte, als er ausholte, um ihre letzten Abwehrschilde zu zerschmettern, ihr Bewußtsein zusammenpreßte. Aleytys rollte sich ein, zog die Knie so weit an, wie es ihr möglich war, und ihre Kraft ließ schnell nach, als Kell immer wieder
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