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Das Erbe der Vryhh

Das Erbe der Vryhh

Titel: Das Erbe der Vryhh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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Angriffsfront Kells, machten sie es ihm unmöglich, seine Konzentration aufrechtzuerhalten.
    Aleytys nahm die dunkle Energie in sich auf und formte sie zu einem Speer, den sie in Richtung Keils schleuderte. Erneut ließ der Druck nach. Gelächter perlte in der jungen Frau, und sie griff mit beiden Händen zu und drückte auf die Nerven, die Kell nicht abzuschirmen vermochte. Sie schaltete sein Bewußtsein einfach aus, so leicht wie das Licht in einem Zimmer, das sie verließ.
    Harskari legte Kell das Messer auf die Brust. »Das nächstemal solltest du auf mich hören.«
    »Danke.« Wie Aleytys erst jetzt bemerkte, war sie während der Attacken des Vryhh zu Boden gesunken. Sie stand auf und ging dicht neben dem Kopf Kells in die Knie. Sie schluckte, als sie die blutigen Höhlen sah, wo sich einst die Augen des Mannes befunden hatten, und sie verstand nun, auf welche Weise Harskari ihn abgelenkt hatte. Sie strich ihm Strähnen des schweißnassen Haares aus der Stirn und seufzte, zum hundertstenmal, wie ihr schien. »Ich mußte ihn fragen«, sagte sie leise und fast sanft. »Es bestand die Möglichkeit, daß er zur Vernunft kam.« Ihre Hand begann zu zittern. Aleytys streckte sie aus, starrte eine Zeitlang darauf und griff dann nach dem Messer.
    »Lee, wenn du ihm nicht auf die leichte Weise den Garaus machen willst …«
    »Auf die leichte Weise!«
    » … so überlaß das mir.«
    »Nein.« Sie versuchte zu lachen, doch es wurde nur ein heiseres Krächzen daraus. »Greueltherapie, Teuerste.« Sie blickte erst auf das Messer, dann auf den wehrlosen und wieder bewußtlosen Mann. »Ich könnte es mir ganz einfach machen, ihn so töten, daß er nicht einmal etwas spürt. Und was mich angeht: Ich nähme kaum etwas anderes wahr als nur das Erlöschen eines Lebenslichts, das Entstehen einer Lücke, wo eben gerade noch etwas war. Ja, und beim nächstenmal hätte ich dann gar keine Skrupel mehr. Ein gemeiner Mann, eine verrückte Frau - zack! Weg mit ihnen. Ich als Todesengel, der zu Gericht sitzt über charakterliche Fäule. Weg mit den Tumoren in den verschiedenen Sozialkörpern. Wo würde das enden? Ach, Harskari, alte Freundin - ich warnte Shadith vor dem Einfluß ihres jungen Körpers, wies sie darauf hin, daß er ihre Reaktionen verändern könne. Ich schätze, die gleiche Warnung gebührt auch dir. Als du noch in meinen Gedanken weiltest, warst du mein unbestechliches Gewissen, hast mir gute Dienste geleistet als meine beste Mentorin. Wende dich jetzt nicht von diesen Qualitäten ab.«
    Harskari fuhr sich mit der Hand durchs Gesicht, wirkte einige Sekunden lang verwirrt und erstaunt und lächelte dann. Sie nickte, sagte jedoch nichts.
    Aleytys blieb neben Kell hocken, ohne sich zu rühren - bis sie spürte, daß er langsam wieder zu sich kam, wartete, bis er stöhnte, infolge des Schmerzes, den ihm die zerstochenen Augen bereiteten. Dann schob sie die Ärmel ihres Morgenmantels bis über die Ellenbogen hoch, führte einen raschen Schnitt mit dem Messer durch und fühlte, wie das aus der aufgeschlitzten Kehle Keils quellende Blut ihr warm über die Haut rann.
    Aleytys empfand seinen Tod als eine plötzliche Pein. Sie starb mit ihm, mit dem Unterschied jedoch, daß sie einige Atemzüge später wieder lebte. Schaudernd stieß sie das Messer ins Gras, und die Hand zitterte dabei so sehr, daß sie sich fast am Oberschenkel verletzt hätte. Danach schlang sie die Arme um sich und hinterließ blutige Recken auf dem reinen Weiß der Ärmel. Sie begann zu weinen, schluchzte in rhythmischen Schüben, die ihren Körper erzittern ließen, jedoch kaum den Schmerz linderten, der in ihr brannte und sich kurz darauf in Frost verwandelte, der sich rasch in ihr ausbreitete.
    Jemand umarmte sie. Eine Person, die eine eigentümliche Mischung aus Shareem und Harskari darstellte, hielt sie fest, wiegte sie sanft hin und her und sang leise für sie, bis es ihr gelang, den tiefen Schock zu überwinden.
    Harskari klopfte ihr noch einmal auf die Schulter, gab Aleytys dann wieder frei und rutschte auf den Knien an die Leiche Keils heran. Mit den Fingerspitzen betastete sie den reglosen Körper und mied die Stellen, an denen sich geronnenes Blut zeigte.
    Aleytys rieb sich die Augen, hielt inne und schnitt eine Grimasse, als sie die braunroten Flecken auf ihren Händen sah. Mit dem Ärmel putzte sie sich die Nase, wobei sie achtgab, keine der schmutzigen Stellen zu benutzen. Die Hände wischte sie erst im Gras ab, im Anschluß daran am Saum des

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