Das Erbe der Vryhh
Partner ihres Zirkels. Sie sprachen alle durcheinander, und niemand hörte dem anderen zu, ohne daß sich jemand etwas daraus machte. Sie freuten sich einfach.
Kurz darauf holte Betaki den neuen Brütling und reichte Amaiki das Na. Sie hielt den kleinen und weichen Körper vorsichtig an sich gedrückt und spürte, wie der winzige Mund an ihrem Halsansatz zu saugen begann, um ihren Geschmack wahrzunehmen, um ihn mit den anderen zu vereinen, die das Na bereits kannte. Amaiki zwinkerte die Tränen aus den Augen und konnte kein Wort hervorbringen. Se-Passhi schmiegte sich an sie, und die Zirkelbrüder und -Schwestern bildeten einen Kreis um sie, hüllten sie in ihre Wärme. Und da lichteten sich die düsteren Schwaden des Kummers, des Leids und der Verbitterung, die sich während der ganzen Reise immer wieder in ihr verdichtet hatten. Sie konnte diese Empfindungen nicht völlig aus sich verdrängen, das wußte sie, zumindest noch nicht, doch derzeit gab sie sich ganz jenem unbeschreiblichen Glück hin.
Am späten Vormittag des nächsten Tages nahmen sie die Kinder und ihre Habe, begaben sich an Bord eines Fel-Flußkahns und machten sich auf den Weg nach Norden, um dort ein neues Leben zu beginnen.
Vrithian
Zeugen (8)
Ein Dienstmädchen in Deixcidao
Ich heiße Meni Peraroz. Und ich bin genau das, was ich zu sein scheine. Meine Mutter arbeitete als Dienstmädchen, ebenso meine Großmutter, und sie heirateten Hausangestellte. Ich bin noch nicht verheiratet, doch wenn es mir nicht gelingt, von hier fortzukommen, erwartet vermutlich auch mich ein solches Schicksal. Die Ehefrau eines katzbuckelnden Schleichers, der ein Leben lang auf die Chance wartet und sie nicht einmal wahrnimmt, wenn sie schließlich kommt. Und dann? Ein Kind pro Jahr, bis ich irgendwann daran zugrunde gehe und er meiner überdrüssig wird und mich verläßt. Ich? Hast du denn keine Ahnung, was mit Frauen geschieht, die sich von ihren Männern abwenden? Was für ein närrischer Vorschlag! Ich muß weg, solange ich noch Gelegenheit dazu habe, jaja, darauf kommt es an, bevor ich am heimischen Herd festsitze wie in einem Kerker. Ein netter Vergleich, was? Und noch dazu einer, der gut paßt. Ob ich wirklich glaube, in Borbhal oder Cobarzh besser dran zu sein? Und ob. Hier ist doch alles tot und erstarrt. Dort draußen geht es ein wenig lockerer und ungezwungener zu; jedenfalls habe ich das gehört. Ob ich davon überzeugt bin? Na klar. Muß ich wohl, oder? Ob ich Angst habe? Du stellst ziemlich dumme Fragen. Natürlich habe ich Angst, aber sieh dir doch nur an, in welcher Lage ich hier bin. Der blöde Zergo auf der anderen Seite der Bucht, in seinem Dom - er möchte, daß die Dinge so bleiben, wie sie sind. Jedesmal dann, wenn hier jemand eine Veränderung zu bewirken versucht, bekommt er es sofort mit dem Unsterblichen zu tun. Jeder, der einigermaßen bei Verstand und jung genug ist, verläßt diesen Ort. Ich? Ich bin fast neun (sechzehn Standardjahre). Mutter, die Tanten und alle anderen - sie setzen mich bereits unter Druck und meinen immer wieder, ich sollte mich verheiraten, bevor ich so alt werde, daß mich niemand mehr will. Selbst sie steckt ihre schmutzige Nase in meine Angelegenheiten. Wen ich damit meine? Sie. Die Herrin. Wen denn sonst?
Was ich machte? Ich schrieb meinen Namen auf die Agencharosh-Liste. Natürlich kann ich schreiben; meine Mutter lehrte es mich.
Ich weiß, die meisten Leute unseres Standes sind Analphabeten.
Doch meine Mutter sparte ein Teil ihres Trinkgelds, versteckte es so, daß Vater es nicht in Flüssiges umsetzen konnte, und beauftragte einen Tempestao-Halbpriester, mich und meine Schwester in der Kunst des Schreibens und Lesens zu unterweisen. Sie ging im vergangenen Jahr, meine Schwester, meine ich. Wir haben nichts mehr von ihr gehört, aber ich nehme an, dort, wo sie sich jetzt aufhält, ist es schwierig, das Geld zu verdienen, das man für die Übermittlung einer Nachricht braucht. Wo war ich stehengeblieben? Ah, ja: Ich schrieb meinen Namen auf die Agencharosh-Liste, die Braut-Liste. Viele derjenigen Männer, die in die Ferne zogen, möchten Frauen aus der alten Heimat. Was ich mache, wenn mir der nicht gefällt, der sich für mich entscheidet? Das kann ich dir sagen: Dann nehme ich die Beine in die Hand, ja, genau, das tue ich.
Irgendwo gibt es bestimmt jemanden, an dem ich Gefallen finden könnte. Ja, irgendwann heirate ich. Was bleibt einem Mädchen denn sonst übrig? Doch meine Kinder sollen es besser
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