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Das Erbe der Vryhh

Das Erbe der Vryhh

Titel: Das Erbe der Vryhh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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nicht mehr … Es tut mir leid.«
    Sie beugte sich nach vorn, berührte einen der Sensoren an der Kante der Armlehne und ließ sich wieder zurücksinken, als der Sessel in Richtung des Kamins herumschwang. Eine matte und indirekte Beleuchtung vertrieb die Schatten aus dem Zimmer, und mit einem leisen Surren stülpten sich Außenschilde vor die Fenster.
    Aleytys zögerte kurz, und mit einem weiteren Tastendruck brachte sie den Sessel Shareems an den Ausgangspunkt zurück. Sie hob die Augenbrauen und erwiderte das Lächeln ihrer Mutter.
    »Ich bitte dich nicht um Hilfe«, sagte sie. Shareem verschluckte ein anerkennendes Lachen, als sie die Vorsicht in der Stimme ihrer Tochter vernahm. Aleytys tastete sich durch ein Minenfeld, das nur in ihrer Einbildung existierte. Aber sie konnte es auch gar nicht besser wissen. »Bring mich nur nach Vrithian, und …« erneut das kurze Zögern -, » …und zieh dich dann zurück und .
    . . und greif nicht ein.« Sie hob die Hand, ließ sie wieder sinken.
    »Ich will nicht, daß Kell sich noch besser auf die Begegnung mit mir vorbereiten kann, als er es bereits ist. Du kennst ihn, ich nicht. Ich weiß nicht, wie deine Loyalitäten beschaffen sind, Reem. Wenn du in dieser Sache gegen mich bist, so sag’s mir. Es macht mir nichts aus. Immerhin bist du weitaus länger mit ihm bekannt als mit mir. Ich bitte dich nur um eins: Behindere mich nicht. Ich möchte eine Auseinandersetzung zwischen uns vermeiden.« Aleytys schüttelte den Kopf, vollführte eine Geste der Hilflosigkeit. »Wenn es nötig wäre, müßte ich auch gegen dich vorgehen. Kell läßt mir keine andere Wahl. Er hat … Geiseln. Sie können sich nicht wehren, und er wird sie quälen. Ich glaube, er wird eine unmittelbare Konfrontation mit mir hinauszögern, solange er dafür sorgen kann, daß ich in Bewegung bleibe …
    solange er mich aus der Ferne zu verletzen vermag. Vielleicht setzt er Swardheld und Shadith zu - obgleich die eher dazu in der Lage sind, sich zu schützen, als die anderen. Linfyar, Canyli Heldeen und die anderen Jäger. Grey … ach!« Aleytys senkte den Kopf, hob ihn dann wieder - und in ihren Augen schimmerten neue Tränen. »Ich weiß, Reem, ich habe dir gerade gesagt, du solltest dich zurückziehen, aber ich … ich brauche dich, Reem.
    Wirst du mir helfen?«
    Ich brauche dich. Einfache Worte. Doch sie hatten eine tiefe Wirkung, gaben Shareem das Gefühl, ebenfalls weinen zu müssen.
    Wie zuvor sehnte sie sich danach, die Arme auszustrecken und ihre Tochter an sich zu drücken. Mehr als nur einmal hatte sie ihr Schiff vorsichtig in die Nähe Jaydugars manövriert und beobachtet, wie sich jener Planet unter ihr drehte, hatte miterlebt, wie er im Winter unter Schnee und Eis erstarrte und während des langen Sommers nachgerade verbrannte. Doch nie war sie dazu bereit gewesen, ein Wagnis einzugehen und zu landen, um ihre Tochter zu sich zu rufen. Soviele Gründe dafür, nicht die Entscheidungen zu treffen, die die Stimme ihres Herzens erbaten und vor denen sich ein anderer Teil ihres Selbst fürchtete. Und alle diese Gründe schienen nunmehr ohne inneren Gehalt und ebenso töricht zu sein wie ihr Wunsch, eine erwachsene Frau zu umarmen, als sei sie ein Kind, das Trost brauche, ihr über den Kopf zu streichen und liebevolle Worte ins Ohr zu flüstern, ihr zu sagen, ihre Mutter werde schon alles in Ordnung bringen. Absurd, natürlich, und zu qualvoll, um sich noch länger einer solchen Vorstellung hinzugeben. Shareem verdrängte die betreffenden Gedanken.
    »Du brauchst meine Hilfe? Selbstverständlich unterstütze ich dich. Wenn er erfährt, daß wir uns getroffen haben - und das wird recht bald der Fall sein -, hat er es auch auf mich abgesehen.« Shareem blickte auf ihre Hände, öffnete und schloß sie, strich mit dem Daumen an der Stelle über das Handgelenk, wo sich jetzt Narben gezeigt hätten, wenn nicht das automatische Behandlungsgerät Kells gewesen wäre. In ihrer Magengrube verkrampfte sich etwas, und an ihrem Hals schien sich eine Schlinge zusammenzuziehen, als Erinnerungen in ihr erwachten, die sie nie ganz aus dem Gedächtnis hatte löschen können, Reminiszenzen, die sich manchmal in Träumen manifestierten, dann, wenn ihr Bewußtsein wehrlos war,
    »Lee …« Erneut das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen.
    Shareem schluckte und zwang sich zu einer gewissen Ruhe - ein jahrhundertelanges Leben gab einem Gelegenheit genug zu lernen, wie man mit psychisch-emotionalen Krisen fertig werden

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