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Das Erbe der Vryhh

Das Erbe der Vryhh

Titel: Das Erbe der Vryhh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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auf die Wölbung des Planeten Wolff, der über ihnen im Nichts schwebte. »Ich wünschte, ich könnte ihn als eine Ausnahme bezeichnen, aber das entspräche nicht der Wahrheit. Er stellt nur eine übertriebene Form der üblichen Vrya-Haltung gegenüber angeblich geringer-wertigen Rassen dar.«
    »Was meinst du damit?«
    »Seine Ausdrucksweise ist … nein, das sollte ich besser nicht sagen.« Shareems Hände vollführten unstete Gesten. »Nun, ich benutzte nicht unbedingt seine Worte, aber ich … ich behandle andere Personen in einer Weise, die … Oh, ich glaube, ich bin in dieser Hinsicht ebenso gleichgültig wie er. Nicht in voller Absicht gemein, nein, das nicht. Ich … ich lasse mich nicht mit ihnen ein, weil sie … so rasch sterben. Zeit, Lee - wir haben so viel davon, und das macht uns eigentümlich. Die Ältesten … viele von ihnen verbringen Jahrhunderte in Laboratorien … nun, das ist nicht ganz genau ausgedrückt. Diese Bemerkung umschreibt die … die Beschäftigung mit verschiedenen … Projekten. Stell dir das vor: Ganze Epochen und Äonen, um dich mit den Dingen zu beschäftigen, die dich interessieren … Eine geheime Welt, auf der man alles anstellen kann, wonach einem der Sinn steht … Die Eingeborenen
    … man nimmt von ihnen, was man will, zwingt ihnen eine bestimmte Verhaltensweise auf … Sie werden geboren und sterben zwischen einem Atemzug und dem nächsten. Versuch dir das vorzustellen, Lee. Selbst ein einzelnes Bewußtsein, das jahrhundertelang an einem Problem arbeitet … es von allen Seiten betrachtet …
    im Verborgenen … Ein Geist, der sein Versteck irgendwann verläßt, um zu sehen, was die Eintagsfliegen machen, was auf anderen Welten vor sich geht … Eine Entität, die die besten Ideen stiehlt und damit arbeitet. Stell dir vor, was dieses eine Bewußtsein bewerkstelligen könnte.« Weitere angedeutete und nervöe Gesten.
    »Aber …«
    »Aber?« Es war nur ein Flüstern, kaum mehr als ein erwartungsvolles Seufzen, eine leise Aufforderung an Shareem, weiterzusprechen. Aleytys beobachtete, wie ihre Mutter mit einer Offenheit rang, die ihrem Wesen eigentlich fremd war, einer schmerzlichen Ehrlichkeit, nach der sich das in Aleytys verborgene Kind Leyta sehnte, nach einem Hinweis auf das, was sie sich während all der Jahre ihres Lebens erhofft hatte, ohne etwas davon zu ahnen, ein Bedürfnis, das fast ebenso fest in ihr verankert war wie das nach Essen und Trinken - das Verlangen danach zu erfahren, ob ihre Mutter sie wirklich liebte. Die Bemerkungen Shareems waren auch für sich allein genommen ziemlich interessant, doch die Aufmerksamkeit Aleytys’ galt in erster Linie den in den Worten zum Ausdruck kommenden Empfindungen.
    »Aber irgendwann beginnen sie sich zu langweilen, Lee, die meisten von ihnen. Langeweile! Klingt komisch, nicht wahr? Das ist die Krankheit, an der wir leiden. Absurd, wie? Einer nach dem anderen verschwinden die Ältesten. Einige von ihnen stürzten sich irgendwo in eine Sonne. Andere ließen sich in den Energiezentren ihrer Domizile desintegrieren. Oder verloren ihr Leben bei aus Unachtsamkeit verursachten Unfällen, zu müde, um sich darum zu scheren. Viele der jüngeren Vrya kehren nur selten nach Vrithian zurück. Ich zum Beispiel bin viel auf Reisen, vertreibe mir die Zeit und versuche, mich zu amüsieren. Hier und dort führe ich das eine oder andere Projekt durch, wenn ich es für nötig halte, mich an das zu erinnern, was ich bin … Ich sehe mich nicht als einen Parasiten, der anderen Kulturen den Lebenssaft aussaugt, der sich von fremden Ideen nährt … Ich mag die langen Unternehmungen, diejenigen, die ganze Generationen dauern … Sie sind der beste Zeitvertreib, doch selten … Das Volk der Eintagsfliegen kennt kaum so etwas wie Geduld … Nun, es wird noch lange dauern, bis ich eine Sonne als mein Grab wähle - irgendwann jedoch treffe auch ich eine solche Entscheidung. Selbst der interessierteste Geist wird im Verlauf der Jahrhunderte und Jahrtausende müde.« Wieder eine Geste, ein Wink mit der Hand. Shareem hatte prächtige Hände, schmal und wohlgeformt, doch auch ungepflegt. Sie kaut auf den Nägeln, dachte Aleytys und empfand einen Hauch von fürsorglicher Zuneigung für ihre Mutter. Sie war versucht, sie wegen dieser Nachlässigkeit gegenüber sich selbst zu tadeln, wollte sie in die Arme nehmen und sie trösten, so als sei sie die Mutter und Shareem die Tochter. Ein verwirrendes und desorientierendes Gefühl.
    Sie konzentrierte

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