Das Erbe des Blutes - Roman
stellte die Tasse vor ihn hin.
»Beim nächsten Mal ist es schon nicht mehr ganz so schlimm«, sagte Heather. »Aber leichter wird’s nicht.«
»Da bleib ich lieber bei den Sterbeurkunden. Weniger grausig«, fügte er hinzu und sah sie an.
»Definitiv weniger grausig«, bestätigte sie. Wieder schenkte sie ihm ein warmes Lächeln. Abgesehen von der Begeisterung und Aufregung hatte er einen weiteren Grund gefunden, weshalb er so lange wie möglich in diese Mordermittlungen involviert bleiben wollte.
Nigel nahm einen lauwarmen Schluck Tee, während Foster auf einen weiteren Mann im Raum deutete, den Nigel nicht bemerkt hatte. Er war groß, gut gebaut, Mitte dreißig und ziemlich stattlich.
»Das ist DI Andy Drinkwater.«
Sie gaben sich die Hand.
DI, dachte Nigel. Detective Inspector. Ein Rang unter Foster und einer über Heather.
»DI Drinkwater und DS Jenkins werden Ihnen helfen, den Stapel Urkunden durchzusehen. Ich muss vor einer Meute Reportern eine Pressekonferenz mit der Witwe des Opfers abhalten. Dabei wollen alle nur das eine wissen: Hat sie es getan oder nicht?« Er nahm seinen Mantel von der Rückenlehne. »Und bevor Sie fragen: Nein, sie war es nicht.«
Nigels Schock vom Betrachten der Fotos auf dem Whiteboard legte sich allmählich. Er registrierte endlich den Nachnamen des Detectives, der ihm gerade vorgestellt worden war. »Ihr Name lautet Drinkwater?«
Der Detective musterte ihn misstrauisch. »Ja, warum?«
»Ich bin noch nie einem Drinkwater begegnet.«
»Tatsächlich?«, fragte Drinkwater.
»Das ist heutzutage ein seltener Name. Wissen Sie, was er bedeutet?«
»Nein.«
»Ist ein sehr interessanter Name«, sagte Nigel.
»Das ist dann wohl das einzig Interessante an Andy«, warf
Foster ein. Er war an der Tür stehen geblieben, weil auch er etwas über die Herkunft des Nachnamens seines Untergebenen wissen wollte.
Drinkwater lächelte süffisant. »Warum ist er denn interessant?«
»Da gibt es zwei Theorien: Entweder lebten Ihre Vorfahren in so großer Armut, dass sie es sich nicht leisten konnten, Bier zu kaufen, und nur Wasser tranken …«
»Oder?«, fragte Drinkwater, neugierig geworden.
»Oder Ihr Vorfahre war ein derartiger Säufer, dass man ihn ironisch ›trink Wasser‹ nannte.«
»Heute ist das wirklich so«, meinte Foster spöttisch. »Unser Andy trinkt nicht, verbringt seine Freizeit mit Krafttraining und rennt mit all den anderen MP3-Player-Trägern auf dem Laufband.« Er grinste. »Das hat meinen Tag gerettet.«
Foster verschwand zur Pressekonferenz.
Drinkwater lächelte. »Danke, Mr. Barnes«, sagte er halb ernst und setzte sich.
Auf dem Tisch lagen drei Papierstapel: Geburts-, Heiratsund Sterbeurkunden.
»Nigel, Sie übernehmen die Heiratsurkunden.«
»Suchen wir was Bestimmtes?«, fragte er.
Drinkwater zuckte mit den Achseln. »Alles, was auch nur im Entferntesten mit dem Mord zu tun hat. Den Namen Darbyshire oder den Ort St. John’s Church: Da heiraten bestimmt einige Leute. Legen Sie die Urkunden auf eine Seite, dann können wir sie uns noch mal genauer ansehen.«
Er nahm eine Urkunde in die Hand. Es wurde still im Raum. Nigel konnte von draußen Stimmen hören sowie hartnäckiges Telefonklingeln. Doch die drei blieben sitzen und gingen schweigend die Dokumente durch. Sie lasen alles mehrfach, prüften jeden Namen, jede Adresse,
jeden Hinweis auf einen Bezug. Im Lauf der nächsten Stunden tauchten mehrere Verbindungen auf: Drinkwater fand die Geburtsurkunde eines Mädchens, das am St. John’s Crescent wohnte; Nigel ein paar Hochzeiten, die in der St. John’s Church stattgefunden hatten. Sie bildeten den Grundstock eines dünnen Stapels, den man noch genauer unter die Lupe nehmen musste. Heather fand nichts Relevantes. Es war keine leichte Kost.Von vielen der in den Urkunden genannten Todesursachen hatte sie noch nie etwas gehört, da sie mit Begriffen bezeichnet wurden, die niemand mehr benutzte.
Nigel faszinierte die Arbeit. Den Nervenkitzel des Jagens empfand er als das eigentlich Reizvolle an seinem Job, doch hier war der Lohn noch größer, denn es war für einen guten Zweck. Er überflog jedes Dokument. Sein Stapel wurde schneller klein als die der anderen. Einen Moment lang dachte er, er würde möglicherweise zu schnell arbeiten, doch dann fiel ihm ein, dass nur er mit der Praxis vertraut war, Handschriften zu entziffern und Dokumente mit einem Blick zu überprüfen. Ihm war allerdings nichts Bedeutsames aufgefallen, und er fragte sich, ob er die
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