Das Erbe des Blutes - Roman
die District Line führten auch dorthin.
Er brauchte einen historischen Streckenplan. Er sah in einigen Regalen nach, fand aber nichts Brauchbares. Das Internet, dachte er. Er ging zum Computer und klickte auf das Internet-Icon. Sein erstes Suchwort lautete »London Underground«. Eine Minute später hatte er die Wahl zwischen 369 000 Treffern. Der erste war ein Online-Reiseplaner, der zweite die offizielle Website der Londoner Verkehrsbetriebe. Er öffnete die Seite. Es fühlte sich an wie eine Ewigkeit, bis die Seite geladen war. Er ging auf den Link »Tube«. So schnell wie möglich überflog er die Seite auf der Suche nach einem Link auf die Geschichte des U-Bahn-Netzes. Er konnte nichts Historisches finden. Im Browser ging er zurück zur Ergebnisliste.
Der nächste Treffer war vielversprechender. Da stand »Geschichte der U-Bahn: die stillgelegten Stationen der Londoner U-Bahn«. Der Fokus lag auf den »Geisterstationen«: dem Bahnsteig der Station auf der Central Line zwischen Tottenham Court Road und Holborn, wo man bis zur Schließung der Station im Jahr 1932 ausstieg, um zum British Museum zu kommen, und die man erkennen kann, wenn man bei Dunkelheit etwas sieht; oder Don Street auf der Piccadilly Line zwischen Green Park und Hyde Park Corner.
Er ging noch eine Seite zurück. Er gab »Haltestelle Notting Hill« ein und drückte die Return-Taste. An erster Stelle wurde Wikipedia aufgelistet: eine kostenfreie Enzyklopädie, deren Einträge von Punters geschrieben werden. Er klickte darauf und las den kurzen, langweiligen Eintrag.
Die U-Bahn-Station Notting Hill Gate ist eine unterirdische Haltestelle im Stadtteil Notting Hill. Auf der Central Line liegt sie zwischen Holland Park und Queensway, auf der District und Circle Line zwischen High Street Kensington und Bayswater. Sie befindet sich auf der Grenze zwischen den Zonen 1 und 2. Sie wurde am 30. Juli 1900 eröffnet und ist vor allem bekannt wegen ihrer Nähe zur Portobello Road, dem Drehort des Kinofilms Notting Hill , dem Notting Hill Carnival und dem Portobello Market.
Am 30. Juli 1900? Nigel las es wieder und wieder, aber das Datum änderte sich nicht. Ein Druckfehler? Oder stimmte es? Wenn ja, wo, zum Teufel, hatte sich die Station dann vorher befunden? Es musste sie gegeben haben, denn er hatte schon in verschiedenen Zeitungen darüber gelesen. Aber wo lag sie? Er dachte an Foster und sein Team, die darauf warteten, Notting Hill Gate zu stürmen. Er sah auf seine Uhr. Es war fast zweiundzwanzig Uhr. Noch zehn Minuten, schoss es ihm durch den Kopf.
Er ging wieder auf die Google-Seite und gab »Geschichte der Londoner U-Bahn« als Suchbegriff ein. Der erste Treffer war eine Seite, die die Geschichte der U-Bahn in Abschnitten von zehn Jahren lieferte, beginnend mit 1860 bis 1869. Bei 1863 stand dort zu lesen, dass die Metropolitan Railway zwischen der Paddington und Farringdon Street
mit folgenden Haltestellen eröffnet worden war: Edgeware Road, Baker Street, Portland Road (heute Great Portland Street), Gower Street (heute Euston Square) und King’s Cross. Notting Hill wurde nicht erwähnt.
Auf der nächsten Seite stand, dass die unabhängige Hammersmith & City Railway 1864 ihren Betrieb zwischen Paddington und Hammersmith als Zubringer für die neue U-Bahn aufnahm. Die Lokomotiven fuhren erst auf überirdischen und dann auf unterirdischen Gleisen.
Die Zwischenstopps auf dieser neuen Zugstrecke waren Notting Hill (heute Ladbroke Grove) und Shepherd’s Bush.
Noch bevor er den Satz zu Ende gelesen hatte, wühlte Nigel in seinen Taschen, griff nach dem Handy und wählte die Nummer. Es klingelte zweimal, dann gab es den Geist auf. Dann schaute er in seinen Taschen nach. Er hatte ein Fünfzig-Pence-Stück. Das würde für ein paar Sekunden reichen; aus dem Festnetz ein Handy anzurufen war eine teure Angelegenheit. Schnell ging er die Treppe hinunter zu den Münztelefonen, nahm den Hörer ab und rief Foster an.
Es klingelte und klingelte. Und klingelte.
»Nun geh schon ran, verdammt«, zischte er.
» Hier ist DCI Grant Foster. Ich bin gerade nicht erreichbar …«
»Hier ist Nigel«, begann er nach dem Piepton, weil er keine Zeit verlieren wollte. »Sie sind am falschen Ort. Sie müssen zur Ladbroke Grove Station. Die hieß früher Notting Hill. Die Verbindung ist gleich zu Ende. Gehen Sie nach Ladbroke Grove. Ich werde dorthin kommen …«
Dann war sein Geld aufgebraucht.
Notrufe kosteten nichts. Er wählte die Nummer.
»Feuer,
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