Das Erbe des Blutes - Roman
das Garagentor und versperrte so den Eingang.
Aus der Ferne konnte er Sirenen hören.
12
Über ihren Köpfen hörten sie das monotone Knattern des Polizeihubschraubers. Doch die Suchscheinwerfer streiften vergeblich durch die umliegenden Straßen. Es war zu spät. Das wusste Foster. Der Killer war aufgetaucht, hatte sich unbemerkt seines Opfers entledigt und war dann wieder in der Anonymität der Stadt untergetaucht, während Foster die ganze Zeit über mit seinem Team an der falschen U-Bahn-Station gewartet hatte. Doch das war noch nicht einmal seine größte Sorge. Es galt nach wie vor, einen Killer zu fassen, unabhängig davon, ob der Mord hätte verhindert werden können oder nicht; insbesondere wenn er in den Fokus
der Presse geriet. Während der Ermittlungen nach dem Tod seines Vaters hatte Foster schon viel von seinem Ansehen in der Chefetage eingebüßt; ihm blieben - wenn überhaupt - nur noch wenige Verbündete.
Er stand mitten auf der Malton Road. Mittlerweile hatte er aufgehört zu zählen, wie oft er schon in den frühen Morgenstunden auf irgendeiner gottverlassenen Straße im Licht der Bogenlampen über den Körper eines Unglücksraben gebeugt herumgestanden hatte. Wenn man zugesehen hat, wie sich der eigene Vater das Leben nimmt, um keine weiteren Qualen mehr erleiden zu müssen, dann wird der Beschäftigung mit dem Mord an Wildfremden etwas von ihrer Bösartigkeit genommen. Und doch war der Tod dieser Frau für ihn wie ein Schlag in die Magengrube. Nur wenige Stunden bevor der Killer vermutlich das nächste Mal zuschlagen würde, waren sie hinter seine Vorgehensweise gekommen, aber da war es schon zu spät gewesen.
Foster betrachtete die Frau: herausgeschnittene Augen und ein aufgerissener Brustkorb. Carlisle untersuchte die Leiche. Als er den Detective bemerkte, sah er hoch, und die beiden begrüßten sich, wobei ihre ernste Miene die Trostlosigkeit der Szene widerspiegelte. Keiner sagte ein Wort. Foster schaute sich in der Garage um, während Carlisle seine Untersuchungen zu Ende führte. Er fand nichts Ungewöhnliches.
»Vermutlich war sie so Ende zwanzig, Anfang dreißig. Der Todeszeitpunkt liegt irgendwo zwischen fünf und sechs Uhr letzte Nacht«, sagte der Rechtsmediziner schließlich.
Foster nickte. Das beantwortete eine seiner Hauptfragen.
»Todesursache?«
»Zu früh, um da was sagen zu können. Wahrscheinlich
eine der Wunden an der Brust, aber dafür muss ich sie mir noch einmal genau ansehen.«
»Die Augen?«
»Kann vor Eintritt des Todes passiert sein. Ihr zuliebe hoffe ich, dass sie da schon nicht mehr gelebt hat. Die Augen wurden sorgfältig herausgelöst, Präzisionsarbeit; nicht einfach ausgestochen. Das deutet darauf hin, dass sie zumindest bewusstlos war. Der Sehnerv ist noch vorhanden, aber durchtrennt.«
»Auge um Auge«, dachte Foster. Darbyshire hatte seine Hände verloren. War die Verstümmelung eher symbolischer als ritueller Natur gewesen? Hatten die Augen der Frau etwas gesehen oder Darbyshires Hände etwas getan, dass sie abgetrennt werden mussten? Und wo passte da der »Obdachlose« rein, dessen Körper unversehrt geblieben war?
»Und was ist mit den Verletzungen im Brustbereich?«
»Ja, das ist äußerst interessant. Es sieht so aus, als hätte er die Brüste aufgeschnitten. Sie hatte Silikonimplantate, die geplatzt sein müssen. Deshalb die ganze Sauerei hier. Wenn wir sie zurückbekommen, nehme ich raus, was davon übrig geblieben ist, und schaue, ob wir eine Chargennummer finden. Andere Möglichkeiten, um sie zu identifizieren, haben wir nicht. Außer einem ziemlich auffälligen Tattoo auf ihrem rechten Schulterblatt.«
Foster bückte sich. Vorsichtig drehte Carlisle die Frau so, dass er die rechte Schulter erkennen konnte. Dort befand sich eine Art Symbol, das nach etwas Orientalischem aussah. Foster skizzierte das Tattoo in seinem Notizbuch.
»Wissen Sie, was das bedeutet?«, fragte er Carlisle.
»Nein. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass es japanisch ist. Ich habe vor Jahren einige Zeit in Japan verbracht, ein faszinierendes Land.«
»Sind das die einzigen Merkmale, die Sie gefunden haben?«
»Ja. Bis auf den Brustkorb natürlich.«
Foster starrte das blutverschmierte Etwas an, wo sich früher die Brüste und der obere Teil des Brustkorbs der Frau befunden hatten. Es war unmöglich, irgendwelche absichtlich angebrachten Markierungen auszumachen. Er würde warten müssen, bis man sie gesäubert hatte. Der Zustand des Brustkorbs und die Schwere
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