Das Erbe des Bösen
redete unbeirrt weiter. »Von diesem Händler, der von irgendwo aus dem Nahen Osten stammt, habe ich einige der Tagebücher Hans Plöggers erworben, weil darin der Name meines Vaters erwähnt wird.«
Er nahm die Kladden und Fotokopien aus seiner Tasche.
»Aus ihnen geht eindeutig hervor, dass mein Vater und Hans |283| Plögger während des Kriegs im Atomprogramm der Nazis beschäftigt waren. Sie haben eine Atombombe für Hitler entwickelt.« Erik wartete Schneiders Reaktion ab, aber der begnügte sich mit einem Schulterzucken.
»Und weiter?«
»Lesen Sie selbst.« Erik reichte Schneider das Material.
Der Deutsche sah sich die Kladden zunächst von außen an. Er untersuchte sie als Gegenstände, ohne dem Inhalt Beachtung zu schenken.
»Das Verhalten des Händlers lässt vermuten, dass sie etwas enthalten, das auch heute noch von Interesse ist. Ich weiß nicht, ob es da einen Zusammenhang gibt, aber Plöggers Enkel Robert, der ebenfalls in Finnland lebt, war ebenfalls bei diesem Trödler und hat nach Sachen von seinem Großvater gesucht. Und jetzt ist dieser Robert Plögger in Finnland ermordet aufgefunden worden.«
»Und Sie meinen, es gibt da einen Zusammenhang?«
»Ich bin mir nicht sicher, aber auszuschließen ist das vermutlich nicht? Auf jeden Fall bin ich davon überzeugt, dass der Tod meines Vaters kein Unfall war.«
»Das Ganze gehört nicht in unser Ressort, aber ich werde Kollegen aus einer anderen Abteilung bitten, einige Überprüfungen vorzunehmen. Der Mord an diesem Robert Plögger ist natürlich bemerkenswert. Da werden wir wohl Kontakt mit Finnland aufnehmen. Hingegen diese . . .«
Schneider wies auf die Tagebücher, die vor ihm auf dem Schreibtisch lagen. »Über deren Bedeutung kann ich so nichts sagen. Falls sie echt sind, sind sie zumindest historisch von Bedeutung. Entschuldigen Sie, wäre es Ihnen recht, einen Moment draußen auf dem Gang zu warten, während ich ein paar Anrufe erledige?«
Erik stand auf und verließ den Raum. Er beschloss, Katja anzurufen und ihr von den jüngsten Entwicklungen zu erzählen, aber sie ließ ihn gar nicht erst zu Wort kommen.
»Ich habe versucht, dich zu erreichen«, sagte sie und schluchzte. » |284| Deine Mutter war hier. Sie hat mich im Schlafzimmer überrascht, als ich gerade in ihren Unterlagen las. Sie war außer sich – so habe ich sie noch nie gesehen. Vor den Augen der Kinder ist sie auf mich losgegangen . . .«
Erik ließ sich auf eine Bank sinken. »Wie konnte sie dich denn dermaßen überraschen?«
»Wie sie das konnte?« In Katjas Stimme stieg Zorn auf. »Stell dir vor, sie ist durch den Garten gekommen und hat die Kinder gefragt, wo ich bin.«
»Und dann?«, fragte Erik mit geschlossenen Augen und versuchte zu begreifen, was er gerade gehört hatte. Seine Mutter musste verrückt geworden sein . . .
»Das habe ich doch gerade gesagt! Sie hat sich wie wild auf mich gestürzt und die Papiere an sich gerissen.«
»Sie sind also wieder bei ihr?«
»Ja«, schrie Katja.
»Alle?«
»Scheiße, verdammt! Interessierst du dich eigentlich nur für die Papiere? Ja, mir geht’s gut, danke der Nachfrage. Zuerst bittest du mich, hier wer weiß was für kriminelle Aktionen zu starten, und dann redest du von nichts anderem als von den Papieren deiner Nazimama . . .«
Katja verstummte abrupt. An beiden Enden der Leitung war es still.
»Entschuldige«, sagte Katja dann. »Ich habe es nicht so gemeint . . .«
»Doch, du hast es so gemeint, und das darfst du auch. Katja, es tut mir leid. Aber das ist alles so . . . Ich bin total durcheinander. Mutter hat sich unmöglich benommen, und ich bin froh, dass es dir und den Kindern gut geht. Katja, bist du noch dran?«
Nach kurzem Schweigen antwortete sie. »Ja, ich bin noch dran. Und ich wundere mich, dass du bei all dem überhaupt noch einigermaßen bei Verstand bist. Wir haben wohl beide gerade etwas überreagiert, und was ich gesagt habe, war ungerecht. Und was die Papiere betrifft . . .«
|285| »Interessierst du dich denn nur für die Papiere?« Es gelang Erik, ein echtes Lächeln in seine Stimme zu legen. Tatsächlich hörte er Katja am anderen Ende der Leitung kurz lachen, und plötzlich erinnerte er sich, wie natürlich immer alles zwischen ihnen gewesen war – selbst das Streiten. Bis Ingrid sich in ihr Leben eingemischt hatte und der Stress bei Gendo immer größer wurde . . .
»Erik«, Katja wurde gleich wieder ernst. »Diese Aufzeichnungen scheinen direkt aus dem Vorhof der Hölle zu
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