Das Erbe des Bösen
Verfahren waren an sich richtig, unter anderem die Diffusions- oder Zentrifugentechnik, aber heute stehen darüber wesentlich weiter reichende Erkenntnisse zur Verfügung.«
Zweiger blätterte beim Sprechen mit unverkennbarer Begeisterung die Fotokopien durch. »Äußerst interessant«, sagte er noch einmal. »Über die Arbeit von Mayers Forschungsgruppe gibt es bislang so gut wie keine Dokumente. Dies hier ist ein sehr bemerkenswerter Fund . . . Falls die Tagebücher echt sind, bieten sie uns die Möglichkeit, Einblick in das Vorgehen der Gruppe zu nehmen. Aber die Sorge, von diesen Aufzeichnungen könnte noch heute eine Gefahr ausgehen, ist sicher unbegründet.«
Erik und Schneider vereinbarten, Zweiger das gesamte Material später zukommen zu lassen. Sie bedankten sich bei dem Professor und verließen den Hörsaal.
»Sharif Rastegar hat wahrscheinlich noch weitere Tagebücher«, sagte Erik, als sie in Schneiders Wagen stiegen. »Ich habe vor, mir alles zu besorgen, was mit meinem Vater zu tun hat.«
»Die Vergangenheit Ihres Vaters muss eine ziemliche Überraschung für Sie sein«, sagte Schneider Anteil nehmend.
Erik begnügte sich mit einem Nicken. Er wollte nicht verraten, dass die Geschichte seiner Mutter ein noch größerer Schock für ihn war.
»Von meiner Seite aus ist der Fall damit erledigt«, fügte Schneider hinzu, während er in einen höheren Gang schaltete. »Der Wert des Materials ist offensichtlich wissenschaftsgeschichtlicher Natur, nicht technischer oder politischer.«
»Das ändert nichts an meiner Auffassung, dass der Tod meines Vaters kein Unfall war.«
»Es ist nichts aufgetaucht, was Anlass zu der Vermutung gibt, dass es sich dabei um ein Verbrechen handelte«, sagte Schneider |299| höflich, aber bestimmt. »Die Entscheidung über die weiteren Ermittlungen treffen jedoch meine Kollegen von der Mordkommission.«
Erik ärgerte sich über Schneiders Worte, sagte aber nichts.
Nachdem sie sich an der U-Bahn -Station Ernst-Reuter-Platz verabschiedet hatten, nahm Erik die Visitenkarte von Sharif Rastegar aus der Tasche und rief den Trödler an. Er nannte seinen Namen und kam sofort zur Sache. »Ich wäre daran interessiert, weiteres handschriftliches Material aus dem Nachlass von Herrn Plögger zu kaufen. Auch Originaltagebücher.«
Zuerst war es still in der Leitung, dann sagte Rastegar: »Oh, das tut mir leid. Der andere Käufer, von dem ich Ihnen erzählt hatte, war heute hier und hat den Rest gekauft.«
Erik verkniff sich einen heftigen Fluch.
»Aber vom größten Teil habe ich Fotokopien gemacht«, redete Rastegar beinahe fröhlich weiter. »Die sind ebenfalls verkäuflich.«
»Gut«, sagte Erik frustriert. Was für ein elender Blutegel dieser Händler doch war. »Und was sollen die Kopien kosten?«
Der Händler räusperte sich. »Mir ist klar geworden, dass ich sie das letzte Mal unter Wert verkauft habe. Der Preis der Kopien beträgt jetzt die Hälfte des Preises der Originale. Also zweieinhalb tausend pro Kladde.«
Scheißkerl, dachte Erik. »Wer ist denn dieser andere Käufer?«
»Oh, Kundendaten werden selbstverständlich vertraulich behandelt.«
»Ich komme bei der nächsten Gelegenheit und hole die Kopien, vielleicht schon in wenigen Tagen. Legen Sie sie für mich zur Seite.«
Rastegar war offensichtlich zufrieden. Der Duft, den der Imbiss neben ihm verströmte, erinnerte Erik daran, dass er schon lange nichts mehr gegessen hatte. Er kaufte sich eine Currywurst und schaffte sie bis zur Hälfte, als sein Handy klingelte. Die Nummer auf dem Display verriet, dass der Anruf aus Finnland kam.
|300| »Hier spricht Rechtsanwalt Veli Tirkkonen aus Helsinki, guten Abend. Spreche ich mit dem Sohn von Rolf Narva?«
»Ja«, antwortete Erik überrascht.
»Ich weiß, dass dies eine schwere Zeit für Sie ist, aber ich möchte den Wunsch Ihres Vaters so erfüllen, wie er ihn zu Lebzeiten formuliert hat.«
»Welchen Wunsch?«, fragte Erik verwundert und wischte sich den Mund mit der Serviette ab.
»Er bat mich, nach seinem Tod Kontakt zu Ihnen aufzunehmen und Ihnen einen Brief zu übergeben, den er mir zur Aufbewahrung überlassen hat.«
»Einen Brief?«
»Ich kenne den Inhalt nicht. Es handelt sich um einen dicken, gepolsterten Umschlag, der vermutlich mehr als nur Papiere enthält. Auf welchem Weg kann ich Ihnen den zukommen lassen?« Erik war erstaunt. Was hatte sein Vater ihm hinterlassen? Ahnte er etwas vor seiner Reise?
»Wann hat mein Vater Ihnen den Brief
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