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Das Erbe des Bösen

Das Erbe des Bösen

Titel: Das Erbe des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Die Stühle waren an einer Wand aufeinander gestapelt, der Tisch stand einsam mitten im Raum. Es war vollkommen still, abgesehen vom Knarren des alten Holzbodens unter den Füßen und dem unheimlichen Kratzen der Äste an den Fensterscheiben.
    Malek hatte die restlichen Sachen in sein Auto gepackt und extrem gründlich aufgeräumt. Das Einzige, was nicht zu dem verlassenen Haus gehörte, war das Flugticket auf dem Tisch. Er nahm es in die Hand und kontrollierte noch einmal die Abflugzeit der Maschine von Berlin Tegel nach London Heathrow.
    Dann teilte er Parviz Jafra seine Ankunftszeit am nächsten Tag in London mit, und bat darum, am Flughafen abgeholt zu werden.
     
    |309| Erik saß im Taxi, das im Regen vom Flughafen Heathrow in Richtung Ripley fuhr. Katja hatte angeboten, ihn abzuholen, aber er wollte noch eine Weile allein mit seinen Gedanken sein.
    Er half dem Fahrer, den Weg zu finden, zahlte und stieg aus. Der Wind peitschte ihm den Regen ins Gesicht. Nie zuvor hatte er in so sentimentaler Stimmung aufgeschlossen wie jetzt. Eine Windböe hätte ihm fast die Tür aus der Hand gerissen.
    »Papa«, rief Olivia im Schlafanzug und flog ihm entgegen. Er schlang die Arme ganz fest um sie und vergrub sein Gesicht in ihren Haaren.
    »Ich hab dich so vermisst«, flüsterte ihm Olivia ins Ohr.
    Erik wollte etwas sagen, stattdessen drückte er seine Tochter nur noch fester an sich.
    »Iiiih, deine Jacke ist ja ganz nass, mein Schlafanzug wird davon auch nass . . .«
    Als nächstes schnappte sich Erik den pro forma Widerstand leistenden Emil.
    Dann zog Erik die Jacke aus und nahm die Mitbringsel aus der Tasche, die er auf dem Flughafen Schönefeld in aller Eile gekauft hatte. Mit den Plastiktüten in den Händen rannten die Kinder ins Wohnzimmer. Katja hatte daneben gestanden, jetzt ging sie auf ihn zu. Sie umarmten sich lange und sprachen kein Wort.
    »Das war eine Reise«, sagte Erik schließlich.
    »Wann willst du den Kindern sagen, dass Rolf tot ist?«
    »Bald . . . Bei allernächster Gelegenheit . . .«
    »Das ist toll.« Emil kam zu ihm. Er hielt die Packung mit dem Sportflugzeug zum Zusammenbauen in den Händen. Der Junge verfügte bereits über eine ziemlich umfangreiche Sammlung Kriegsflugzeuge.
    »Aber warum hast du mir keine Messerschmidt oder Stuka mitgebracht, wo du doch in Deutschland warst?«
    »Diesmal eben nicht«, seufzte Erik.
    Olivia betastete das unnütze rosa Plastikwesen, das Erik sich bislang standhaft zu kaufen geweigert hatte. Das Mädchen hatte |310| einen feinen Instinkt, sie sah ihn aufmerksam an und sagte kleinlaut: »Du hättest das nicht kaufen müssen . . .«
    »Geht schon mal nach oben, ich komme gleich und sage euch gute Nacht«, sagte Erik und zwang sich zu einem Lächeln.
    Katja goss ihm Tee ein. Erik stützte die Ellbogen auf den Tisch und fuhr sich durch die Haare. Mit glasigen Augen starrte er vor sich hin. Der Wind draußen wurde stärker, und Regentropfen schlugen gegen das Fenster.
    »Kohonen hat mich angerufen«, sagte Erik so leise, dass er kaum seine eigene Stimme hörte. »Er hat in irgendeinem Buch eine Erwähnung gefunden, der zufolge eine Wissenschaftlerin, die auf die Erforschung von Zwillingsaugen spezialisiert war, während des Zweiten Weltkrieges eine junge schwedische Assistentin hatte. Ihnen wurde Forschungsmaterial aus Auschwitz geschickt . . . Genauer gesagt war es Mengele, der ihnen das Material lieferte.«
    Katja saß neben ihm und legte ihm den Arm um die Schulter. »Du kannst nichts für das, was deine Mutter und dein Vater irgendwann getan haben. Du darfst nicht . . .«
    »Mein Vater und meine Mutter waren Teil des Naziregimes. Keine passiven Zuschauer oder Mitläufer, sondern aktiv Handelnde. Und sie haben mich all die Jahrzehnte angelogen.«
    »Sie wollten dich schützen. Dich vor der Wahrheit schützen, die ja für sie selbst schwer zu verarbeiten gewesen sein muss.«
    »Ach ja? Und warum zieht meine Mutter es weiterhin vor zu lügen?«
    Katja schwieg.
    »Aus dem einzigen Grund«, beantwortete Erik seine Frage selbst, »weil sie von ihrer Arbeit überzeugt war. Und weil ich diese Arbeit fortsetze. Als ihr Werkzeug. Ich weiß noch, wie sie sich freute, als ich die ersten Anzeichen von Interesse für die Biologie zeigte . . .«
    Eriks Stimme zitterte. »Du weißt, was man mit unseren DN A-Banken machen kann.« Seine Stimme senkte sich zu einem heiseren |311| Flüstern. »Was man mit ihnen höchstwahrscheinlich in China tun wird . . . getan hätte, wenn . .

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