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Das Erbe des Bösen

Das Erbe des Bösen

Titel: Das Erbe des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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erhalten. Ziel war die Ermittlung der Erscheinungsdichte einer bestimmten MAO- A-Genvariante in verschiedenen ethnischen Gruppen. Als Basis diente eine von Dr.   Rod Lean 2006 in Neuseeland durchgeführte Studie, der zufolge die zu Aggressivität, Kriminalität und Risikobereitschaft prädisponierende Genvariante bei männlichen Maori doppelt so häufig auftrat wie bei gebürtigen Europäern.
    Der wissenschaftliche Leiter der GSCS, ein emeritierter Professor der Soziobiologie, teilte an alle eine Zusammenfassung des Forschungsplans aus. Ingrid hatte das Gefühl, eine wichtige Aufgabe zu erfüllen, indem sie der von besorgten Wissenschaftlern gegründeten Gesellschaft half.
    Nach der Besprechung verließ Ingrid das Hotel und verstaute das zusammengefaltete Blatt Papier sorgfältig in ihrer Handtasche. Während ihrer gesamten Laufbahn hatte sie handschriftlich oder maschinell Kopien der Zusammenfassungen aller Studien angefertigt, an denen sie beteiligt gewesen war. Die Papiere zu Hause aufzubewahren, war ein Risiko, aber sie wollte sie nirgendwo sonst hinbringen.
    Die eigene Sorgfalt war freilich nutzlos, wenn die Informationen anderswo durchsickerten. Vor allem von den als geheim eingestuften Forschungen, die von der amerikanischen Atomenergiebehörde |373| finanziert worden waren, hatte sie geglaubt, sie würden geheim bleiben, aber es war anders gekommen.
    1994, als Ingrid schon in England lebte, hatte Präsident Clinton eine energische Frau namens Hazel O’Leary zur Energieministerin ernannt, die damit begann, die Menschenversuche aus der Zeit des Kalten Krieges zu untersuchen, und schließlich Informationen preisgab, die zur Geheimhaltung bestimmt gewesen waren. Ingrid hatte sich damals große Sorgen gemacht, aber wie durch ein Wunder war ihr Name in den Medien nicht aufgetaucht.
    Fünf Jahre später veröffentlichte die mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnete Journalistin Eileen Welsome ein Buch über radiologische Versuche, und dieses Buch brachte Ingrid kurzzeitig aus der Fassung. Es hatte viele Informationen enthalten, die auch ihr neu waren. Obwohl drei der Probanden, die bei der ersten Versuchsreihe in Rochester Plutonium verabreicht bekommen hatten, innerhalb eines Jahres erkrankt und verstorben waren, hatten die meisten doch jahrelang weitergelebt, einige sogar über dreißig Jahre. Janet Stadt – »HP-8« – war im November 1975 gestorben. Elmer Allen – »CAL-3« – ein Schwarzer, dem im Juli 1947   Plutonium gespritzt worden war, starb erst 1991.   Sogar auf seinem Grabstein stand noch »CAL-3«.
    Der Vorhang über all diese Dinge fiel schließlich am 8.   Oktober 1995, als Präsident Clinton eine Rede hielt, in der die Vereinigten Staaten von Amerika sich zu den unmenschlichen Versuchen bekannten. Die Amerikaner interessierte das aber nicht, denn zur gleichen Zeit lief gerade der Mordprozess im Fall O.   J.   Simpson auf seinen Höhepunkt zu, und Clintons Botschaft ging darin unter. Ingrid war sicher, dass nicht einmal die gewieftesten Manipulationsexperten der CIA sich ein so perfektes Ablenkungsmanöver hätten ausdenken können.
    Auch mit diesen Leuten hatte Ingrid in den Fünfziger- und Sechzigerjahren zu tun gehabt, und eine Enthüllung der betreffenden Studien musste sie nicht befürchten. Die CIA hatte zum Beispiel nach Wegen gesucht, radioaktive Stoffe bei Mordanschlägen |374| einzusetzen, unter anderem Cäsium und Polonium. Entsprechende Forschungen waren vom KGB in der Sowjetunion durchgeführt worden, weshalb Ingrid mit besonderem Interesse die Ermittlungen im Mordfall des ehemaligen russischen KG B-Offiziers Alexander Litwinenko in London verfolgt hatte.
    Ingrid verscheuchte die Gedanken an die CIA.   Mit jener Behörde hatte sie einst allzu enge Bekanntschaft gemacht.

|375| 52
    Erik und Katja saßen nebeneinander in einem sparsam möblierten Büro im Gebäude des Sicherheitsdienstes MI5 auf der Londoner Millbank am Ufer der Themse.
    Auf der anderen Seite des Tisches saß ihnen der etwa vierzigjährige Hugh Griffin gegenüber, der ein wenig exzentrisch aussah mit seiner altmodischen Brille und seiner seltsamen Frisur, die offenbar dauerhaft von seinem dichten, lockigen Haar Besitz ergriffen hatte. Außerdem leistete ihnen John McFegon Gesellschaft, ein Beamter, der mit unverkennbar schottischem Akzent sprach.
    Erik hatte den Männern detailliert die Ereignisse der letzten Tage geschildert und ihnen die Tagebuchaufzeichnungen gezeigt. Als er fertig war, blickte Griffin

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