Das Erbe des Bösen
Ordnung. Ich warte auf Ihren Anruf.«
Noch ungehaltener als zuvor legte er das Telefon aus der Hand. Warum sagte man ihm nichts? Und warum ging man trotzdem so selbstverständlich davon aus, dass er ihnen allen zur Verfügung stand?
Aus der Küche hörte er zwischen dem Geschirrklappern, wie sich die Kinder zankten. Katja wies sie gereizt zurecht. Erik resümierte die wenigen Fakten, die er bislang gesammelt hatte. Nur wenn er sie richtig zusammensetzte, könnte er einen Schlüssel zu allem finden. Der frischeste und konkreteste Informationskeim steckte im Namen und in der Adresse von Parviz Jafra. Dort könnte er den Mann finden, der hinter Plöggers Tagebüchern her |381| gewesen war. Vielleicht war über ihn auch an die Tagebücher zu kommen, in denen konkret über das Uranversteck berichtet wurde, oder in denen zumindest zusätzliche Informationen über die Jahre seines Vaters in Deutschland enthalten waren. Auch für die Zukunft der Kinder war es wichtig, dass die Wahrheit über ihre Großeltern ans Licht kam. In der Lüge zu leben war kein richtiges Leben. Dieses Erbe wollte Erik nicht an seine Kinder weitergeben.
Er stand abrupt auf und ging wieder zum Computer. Erneut war er Katja dankbar, die dafür sorgte, dass er seine Ruhe hatte. Er klickte ein Kartenprogramm an und gab die Adresse von Parviz Jafra ein. Ohne weiter nachzudenken druckte er den Kartenausschnitt aus.
Katja trat mit ernstem Gesicht zu ihm. »Ich habe eine E-Mail von Carl bekommen. Er teilt mit, dass er vom heutigen Tag an aus dem Dienst von Gendo ausscheidet.«
Erik überlegte einen Moment. Am liebsten hätte er seiner Mutter auf den Zahn gefühlt, um herauszufinden, ob sie etwas mit der Sache zu tun hatte, aber er hatte einfach nicht die Kraft dazu. Nicht jetzt.
|382| 53
Es klopfte energisch an der Tür.
Malek nickte Parviz zu, der zögernd das Sicherheitsschloss öffnete. Rashid kam mit einer offensichtlich schweren Lonsdale-Sporttasche herein. Parviz schloss die Tür und gab ihm die Hand.
»Ihr seid dem Stau entkommen«, stellte Malek fest, den Blick auf Rashid gerichtet.
Rashid erwiderte den Blick. »Wie du siehst.«
Malek trug die Tasche ins Hinterzimmerr, wo die Vorhänge noch immer geschlossen waren.
»Alles fertig?«, fragte Rashid.
Parviz deutete auf die Apparaturen auf dem Tisch. »Nur die Gewürze fehlen noch.«
Rashid grinste, nahm den Bleibehälter aus der Tasche und stellte ihn daneben auf den Fußboden.
»Wer von uns beiden macht den Rest?«, fragte Rashid.
Zwischen zwei erfahrenen Bombenbauern musste entschieden werden, wem die Ehre zukam, diese einzigartige Bombe zu vollenden.
Malek schaute abwechselnd Parviz und Rashid an. »Ich vertraue euch beiden vollkommen. Aber Rashid hat den Stoff auf einem langen Weg hierhergebracht. Er soll den Rest machen.«
Rashid blickte kurz auf Parviz, der zustimmend nickte.
Rashid griff nach dem Bleibehälter und stellte ihn auf den Tisch.
Erik musste dem DH L-Boten , einem kurz angebundenen, höflichen Schwarzen, an der Haustür seinen Ausweis zeigen, bevor ihm das Päckchen ausgehändigt wurde.
|383| Am liebsten hätte er es sofort aufgerissen, aber er beherrschte sich. Der Bote tippte etwas in sein tragbares Registriergerät und reichte Erik einen Plastikstift, mit dem er auf der Kontaktoberfläche seine Unterschrift leisten musste. Dann bedankte sich der Bote und ging zu seinem gelben Lieferwagen zurück. Erik eilte mit dem Päckchen ins Arbeitszimmerr.
»Von wem ist denn das?«, fragte Emil irgendwo aus weiter Ferne. Seine Stimme drang nur noch schwach durch Eriks Müdigkeit und Ängste hindurch an sein Ohr.
»Lass den Papa jetzt mal in Ruhe«, entgegnete Katjas Stimme von ebenso weit weg.
Erik schloss die Tür hinter sich. Durch den Ahornbaum vor dem Fenster fiel ein grünlicher Lichtschein ins Zimmer. Der Schreibtisch war voller Papier-, Zeitungs- und Bücherstapel, Erik suchte vergebens nach einer Schere. Wahrscheinlich hatte Olivia sie sich zum Basteln ausgeliehen.
Erik schaltete die Schreibtischlampe an und riss mit Gewalt die stabile Plastikhülle auf. Sie enthielt ein Begleitschreiben von Tirkkonen, in dem dieser daran erinnerte, dass er über den Erhalt der Sendung unverzüglich in Kenntnis gesetzt werden wolle.
Nachdem er das gelesen hatte, öffnete Erik den eigentlichen Umschlag, auf dem sein Name stand – in der Handschrift seines Vaters.
Seine Hände zitterten. Zum Vorschein kam ein weiteres kleineres und gepolstertes Kuvert. Es war mit einem
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