Das Erbe des Bösen
zurück, um auf Erik zu warten. Sicherheitshalber ließ sie von der Zulassungsstelle schon mal den Halter des grünen Fords ermitteln.
Sie versuchte noch einmal, Carl anzurufen, aber der meldete sich nicht. Schließlich erschien Erik im Strom der Reisenden in |370| der Ankunftshalle. Bei seinem Anblick erschrak Katja. Ihr Mann war aschfahl im Gesicht, seine Bartstoppeln waren noch länger geworden, aber sein Blick wirkte entschlossen. Sie umarmten sich zärtlich.
»Hast du ihn gesehen?«, fragte Erik.
»Ein anderer Mann hat auf dem Parkplatz auf ihn gewartet. Dunkelhaarig, mit Schnurrbart. Sie sind mit einem grünen Ford weggefahren. Der Halter ist Parviz Jafra, Kempshott Road, Streatham.«
Naher Osten, dachte Erik, als er den Namen des Mannes hörte, musste aber innerlich über Katjas gutes Gedächtnis schmunzeln. Das hatte ihn schon beeindruckt, als sie sich in Cold Spring Harbor kennengelernt hatten.
»Klasse«, sagte er.
»Wer ist der Mann?«
»Keine Ahnung. Wo steht dein Wagen?«
»In der Kurzparkzone. Worum geht es eigentlich?«
»Erkläre ich dir unterwegs«, sagte Erik und ging auf den Ausgang zu.
Katja eilte ihm nach. »Unterwegs wohin?«
»Zum Sicherheitsdienst. Ich habe beim MI5 angerufen.«
Während der Fahrt ins Zentrum von London erzählte Erik ihr von dem Brand in dem Möbellager, von dem Mann, der bei Katharina Kleve gewesen war und mit seinem Vater in einem Auto gesessen hatte, und von der Verzögerungstaktik der Berliner Polizei.
»Wie die deutsche Polizei werden sicherlich auch die Beamten in England alles, was ich sage, für die Phantasien eines Irren halten. Aber beim Stichwort ›angereichertes Uran‹ sind sie immerhin so hellhörig geworden, dass sie mir einen Termin gegeben haben.«
»Aber ist das nicht einzig und allein Sache der Berliner Polizei?«, fragte Katja ernst.
»Ich weiß nicht. Dieser Typ ist schließlich jetzt in London. Und ich bin mir gar nicht sicher, ob die Berliner Polizei überhaupt an |371| der Vergangenheit meines Vaters interessiert ist. Will sie wirklich wissen, welche Umstände zu seinem Tod geführt haben? Offenbar nicht. Katja: Wenn ich mich nicht selbst dahinter klemme, wird die Wahrheit aller Wahrscheinlichkeit nach für immer im Dunkeln bleiben.«
Katja schwieg.
»Außderdem: Falls das alles tatsächlich mit diesem Uranprogramm zu tun haben sollte, mache ich mir ernsthaft Sorgen, ob das Zeug nicht auch heute noch jemandem gefährlich werden kann«, fuhr Erik fort.
»Nein«, sagte Katja entschieden. »Und selbst wenn das Uran irgendwo steckt, trägst du dafür in keiner Weise die Verantwortung.«
Nun schwieg Erik. Katja schien nicht zu begreifen, wie wichtig es für ihn war, dafür Sorge zu tragen, dass durch die Irrtümer seines Vaters nicht auch heute noch jemand Schaden nahm. An das, was seine Mutter zu verantworten hatte, mochte er gar nicht denken . . .
»Hast du mit Carl gesprochen?«, wechselte er das Thema.
»Er ist heute nicht zur Arbeit gekommen«, antwortete Katja ausweichend. »Und Mike hat festgestellt, dass er unter anderem die FS S-Datenbanken aufgesucht hat, in denen er nichts verloren hat. Wir haben seine Passwörter gesperrt. Aber ich glaube nicht . . .«
»Hast du versucht, Carl zu erreichen?«
»Ich habe eine Nachricht auf seinem Anrufbeantworter hinterlassen.«
»Das klingt alles überhaupt nicht gut«, sagte Erik.
In der gepflasterten Hauptstraße der Ortsmitte von Guildford stand seit dem Mittelalter die Herberge und Pferdepoststelle The Angel Posting House & Livery, in der heute ein Hotel untergebracht war. In dessen Konferenzraum saßen fünf Personen unterschiedlichen Alters, von denen Ingrid Stormare die Älteste und Carl Möller der Jüngste war.
|372| »Sie wissen Bescheid«, fing der große, dünne Carl aufgeregt an, aber Ingrid unterbrach ihn sofort und legte ihm großmütterlich die Hand auf die Schulter.
»Mach dir nichts aus Gendo. Du wirst anderswo Arbeit finden, ganz sicher. Und bei Gendo wird man keinerlei großes Aufhebens machen. Sie wollen ganz bestimmt nicht, dass die Medien auf die Idee kommen, diese Sache aufzublasen.«
Carl hatte DN A-Datenbanken der englischen Polizei kopiert. Sie enthielten die Ergebnisse der DN A-Proben von Personen, die unter dem Verdacht standen, ein Verbrechen begangen zu haben. Die Daten sollten für eine von der
Genetics Society of Concerned Scientists
finanzierten Studie verwendet werden, für die es schwer gewesen wäre, eine ordnungsgemäße Genehmigung zu
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