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Das Erbe des Bösen

Das Erbe des Bösen

Titel: Das Erbe des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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hatte herauszufinden, wie man die Bombe am besten ans Ziel brachte.
     
    »Ich glaube, dass du verstehst, warum ich über all das geschwiegen habe. Mein Leben lang habe ich mich dafür geschämt, ein Rädchen in der Kriegsmaschinerie der Nazis gewesen zu sein . . .«
     
    Die Stimme seines Vaters wurde leiser. Erik drehte die Lautstärke noch höher. Das Rauschen nahm zu, aber die Worte ließen sich nun besser verstehen.
     
    »In den Stollen der Mittelwerke sah ich, wie die arbeitenden Häftlinge behandelt wurden. Ich kann nicht behaupten, nichts gewusst zu haben, auch wenn ich nie eines der Lager von innen gesehen habe . . . Die Häftlinge mussten bei Schichtwechsel im Laufschritt den Weg zwischen Lager und Stollen zurücklegen. Wenn einer in der Schar der vielen tausend Gefangenen stolperte oder vor Schwäche zusammenbrach und nicht mehr allein auf die Beine kam, wurden ihm gnadenlos Stockhiebe verabreicht.«
     
    Die Stimme des Vaters zitterte.
     
    |387|
»Stand der Häftling dann nicht auf, bekam er sofort eine Kugel in den Kopf. In der Fabrik wurden laufend für alle möglichen ›Vergehen‹ Todesurteile ausgesprochen, und ich versuchte stets einen möglichst großen Bogen um Halle 41 zu machen. Das gelang mir nicht immer, und jedes Mal, wenn ich dorthin musste, hingen Tote an den Balken – aufgehängt . . . Was aber geschah in den anderen Lagern? Darüber wusste ich nichts. Ahnte ich es? Mit Sicherheit. Über Hans hatte ich Katharina kennengelernt, eine deutsche Medizinerin . . .«
     
    Erik neigte sich etwas nach vorne.
     
    »All die bedrückten, verhüllten Berichte von Katharina aus Dachau, all die geheimen Gespräche mit Hans. Und Ingrids Sätze, über die sie nicht weiter nachgedacht zu haben schien. Aber ich habe nie einen Juden persönlich gekannt. Ich hatte nie jüdische Nachbarn, die weggebracht worden wären, ohne dass man je wieder von ihnen gehört hätte. Und diese ganze Massenvernichtung – die ist ja hauptsächlich weit weg im Osten vor sich gegangen. In Polen und Russland. Aus den Augen, aus dem Sinn. Außerdem war in den Kriegsjahren mein ganzes Leben auf die Arbeit ausgerichtet . . .«
     
    Der Vater räusperte sich erkennbar verlegen.
     
    »Aber mit der Bombe wurden wir nicht fertig, weil Deutschland vorher zusammenbrach. Auf verschiedenen Gebieten war unser Atomprogramm jedoch trotzdem erfolgreich, auch wenn es nach dem Krieg in niemandes Interesse lag, viel Aufsehens davon zu machen. Unter anderem gelang es uns, Uranisotope zu trennen . . . in sehr kleinen Mengen, aber immerhin.«
     
    |388| Erik hielt den Atem an, als sein Vater schließlich vom Uranversteck im Thüringer Wald erzählte.
     
    »Ich habe noch nie mit jemandem darüber gesprochen, außer mit deiner Mutter, in einem schwachen Moment. Die Menge war geringg, hundertachtundsechzig Gramm, aber da es sich um waffenfähiges angereichertes Uran handelt, kann man mit diesem Wissen nicht vorsichtig genug sein.«
     
    Erik starrte auf das Kassettenradio, als rechnete er damit, es würde jeden Moment weitere unbequeme Wahrheiten ausspucken.
     
    »Ich weiß, das klingt in deinen Ohren alles nach Rechtfertigungg. Aber ich verbrachte acht Jahre meines Lebens ausschließlich in jener einzigen Welt, die ich kannte . . . Und in jener Welt führte das so genannte neue Deutschland einen legitimen und siegreichen Krieg gegen all jene Feinde, die für die Schmach von Versailles und darüber hinaus für die Machtergreifung der Bolschewiken in Russland verantwortlich waren. Und Hitler hatte beschlossen, dass die Juden zu jenen Feinden gehören.«
     
    Erik rutschte auf dem Sitz hin und her wie auf glühenden Kohlen. Erzähl mir mehr von dem Uran!
     
    »Als die Amerikaner mich verhörten, kam mir der Gedanke absonderlich und widerwärtig vor, aber das war die Welt, in der ich gelebt hatte. Ich hatte von nichts anderem etwas gewusst oder verstanden. Ich kannte nur meine eigene Realität . . .«
     
    Erik schaltete den Kassettenrecorder aus. Er musste sofort etwas unternehmen. Aber was? Sein Vater verbot ihm, mit irgendjemandem über das Uran zu reden, aber das war ja offensichtlich inzwischen auf anderem Weg herausgekommen.
    |389| Erik nahm die Kassette, steckte sie in die Brusttasche und stieg aus dem Wagen. Er musste zuerst Griffin anrufen, die Kassette konnte er später zu Ende hören.
     
    »Was war denn auf der Kassette?«, fragte Katja, als Erik ins Haus kam.
    »Ich vermute, die Wahrheit. Mein Vater bestätigt darauf, dass sie im

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