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Das Erbe des Bösen

Das Erbe des Bösen

Titel: Das Erbe des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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war.
    Im Juni 1943 erlitt Ingrid eine Fehlgeburt, als sie vor einem erneuten Bombenangriff auf Berlin in den Luftschutzkeller floh. Die Erinnerung daran ließ Rolf noch immer zusammenfahren.
    Seine Gedanken brachen ab, als ein Piepton mitteilte, dass Hoffmann eine SMS erhalten hatte. Rolf änderte seine Sitzposition, sodass er Hoffmanns ausdrucksloses Gesicht beim Lesen der Nachricht sehen konnte.
    Dann bildete sich auf dem Gesicht des Deutschen ein kleines, schiefes Grinsen, das Rolf mehr Angst einjagte als die Ausdruckslosigkeit zuvor.
    Hoffmann wandte sich ihm zu. Er schlang Rolf ein schwarzes Tuch um den Kopf und knotete es so fest zu, dass es auf den Augen schmerzte.
    Allmählich war Rolf immer mehr davon überzeugt, dass seine Entführung etwas mit Herman King zu tun hatte.

|48| 6
    Erik ging schnellen Schrittes durch die Meritullinkatu im Helsinkier Stadtteil Kruununhaka, während er telefonierte. Den alten Volvo-Kombi, den er als finnisches Sommerauto angeschafft hatte, hatte er am Straßenrand geparkt.
    »Wo willst du denn hin?«, fragte Katja ungläubig.
    »Ich treffe mich mit einem Historiker. Erklär ich dir später«, sagte Erik. »Ich habe bei meinem Vater seltsame Briefe gefunden. Es dauert noch ein bisschen bei mir, ihr könnt ja inzwischen schon mal essen gehen. Frag jetzt nicht, ich ruf dich später an.«
    Erik hatte Juhani Kohonen angerufen und um ein sofortiges Treffen gebeten. Kohonen hatte sich zwar gewundert, war aber bereit, ihn zu Hause zu empfangen. Auf dem Weg hatte Erik in der Firma angerufen und gefragt, ob einer seiner Kollegen für ihn nach Peking fliegen könne. Die Reise und die Gespräche dort waren wichtig, da musste man bei der Sache sein, außerdem wollte Erik unter den aktuellen Umständen keine so weite Dienstreise machen. Das Geschäft mit China wurde beharrlich vorangetrieben, wenn es klappte, würde es der bedeutendste Auftrag in der Geschichte von Gendo werden, vom Volumen her fast sechs Mal größer als das DN A-Datenverarbeitungssystem , das sie der österreichischen Polizei geliefert hatten.
    Erik hätte gern auch gleich seine Mutter in England angerufen, beherrschte sich aber. Zuerst wollte er hören, was dieser Kohonen über die Jugendjahre seines Vaters zu sagen hatte. Erik wusste zwar sehr wenig darüber, hatte aber auch nie weiter darüber nachgedacht: der Vater war 1937 von Finnland nach Amerika gekommen, um Physik zu studieren, und als Erik ein Kind |49| war, hatte der Vater in Huntsville und Cape Kennedy für die NASA gearbeitet.
    Viele von Eriks Klassenkameraden waren wegen der Arbeit seines Vaters grün vor Neid gewesen, aber Erik selbst hatte sich nie sonderlich für Physik, Technik und das Weltall interessiert. Sein Interesse galt von Kindheit an dem Menschen. Die Welt, die seine Mutter repräsentierte, faszinierte ihn: Herz, Gehirn, Lunge, Augen, Ohren, dann, mit der Zeit, Zellen, Chromosomen, Gene, DNA.   Auch die besten Physiker und Ingenieure würden nie etwas ähnlich Komplexes und Fantastisches erschaffen können.
    Seine Mutter hatte ihm die Funktion der Organismen lebendig und verständlich erklären können, und diese Leidenschaft für die Biologie hatte letztlich großen Einfluss auf Eriks Berufswahl gehabt. Nie zuvor hatte er seine Mutter so voller rührendem Stolz gesehen als in dem Augenblick, in dem sie ihn nach der Promotion in Berkeley umarmte. Erik hatte ihr seine Dissertation gewidmet, und das war keine sentimentale Übertreibung gewesen, sondern echte Dankbarkeit. Ein zweiter Höhepunkt folgte einige Jahre später, als Erik nach Cold Spring Harbor kam, zu einem Genomkartierungsprojekt.
    Erik ging durch die Hofeinfahrt zu dem vierstöckigen Hinterhaus im Innenhof. Er hoffte, Kohonen würde sich hilfsbereit zeigen. Am Telefon hatte er immerhin interessiert geklungen.
    Der etwa vierzigjährige Mann mit Brille, Anzughose und Strickjacke machte einen zurückhaltenden und vorsichtigen Eindruck. Er führte den Besucher in sein Arbeitszimmer voller Bücher und Papierstapel.
    »Es ist eine große Überraschung für mich, dass mein Vater in seiner Jugend in Deutschland gewesen sein soll«, kam Erik gleich zur Sache, ohne seine Aufregung zu verbergen.
    »Ich habe mich natürlich nicht speziell mit Ihrem Vater befasst, darum habe ich nicht besonders viel Material über ihn. Aber hier sind all diejenigen Personen aufgelistet, die 1937 zum Studium nach Deutschland gingen.«
    |50| »Und wenn er aus irgendeinem Grund doch nicht nach Deutschland, sondern

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