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Das Erbe des Bösen

Das Erbe des Bösen

Titel: Das Erbe des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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nach Amerika gegangen ist? Gibt es irgendwelche Dokumente darüber, dass er tatsächlich in Berlin war?«
    Kohonen reichte Erik ein Blatt. »Das hier ist die Gästeliste der Gründungsfeier der Deutsch-Finnischen Gesellschaft im Herbst 1942.   Wie viele andere finnische Wissenschaftler ist Rolf Narva als Gast eingetragen. Er ist demnach tatsächlich in Deutschland geblieben. Man müsste in den Berliner Archiven nachsehen, wenn man sich ein genaueres Bild machen will. Sie wissen über seine Studienjahre also nichts?«
    Erik seufzte. Er war verwirrt, und er schämte sich, weil dieser fremde Mensch mehr über seinen Vater zu wissen schien als er selbst. »Mein Vater hat mir erzählt, er sei kurz vor dem Krieg von Finnland nach Amerika gegangen, um dort zu studieren, wenn ich mich richtig erinnere, genau im Jahr 1937.«
    »Was war er denn von Beruf?«
    »Er war Physiker. Zuerst in Huntsville in der Raketenversuchsstation, die später zum
Marshal Space Flight Center
der NASA wurde. Und dann in Cape Kennedy in Florida. Als das Apollo-Programm Anfang der Siebzigerjahre heruntergefahren wurde, ging er zu Lockheed nach Kalifornien, wo er bis zur Pensionierung blieb.«
    »Sicherlich wissen Sie, dass die USA nach Kriegsende eine große Anzahl von deutschen Wissenschaftlern rekrutierte, speziell für die Raketenforschung, die unter anderem in Huntsville stattfand. Die Verlegung der Deutschen nach Amerika war eine geheime Operation, über die erst nach der Öffnung der Archive in den Neunzigerjahren genauere Informationen zu bekommen waren. Der berühmteste Protagonist der sogenannten ›Operation Paperclip‹ war das Raketengenie Wernher von Braun.«
    Erik starrte Kohonen entsetzt an. »Mein Vater kannte von Braun. Auch ich habe ihn ein paar Mal gesehen, als mich mein Vater zu irgendwelchen NAS A-Veranstaltungen mitnahm. Ich habe sogar ein Foto, auf dem ich von Braun nach einer Vorlesung die Hand gebe.«
    |51| Plötzlich fielen Erik noch mehr deutsche Namen aus dem Kollegenkreis seines Vaters ein. Über die Vergangenheit einiger von ihnen in Nazideutschland hatte es eine Zeitlang Aufregung gegeben, auch von Braun war davon betroffen gewesen, aber Erik konnte sich nicht erinnern, dass sein Vater das Ganze in irgendeiner Form kommentiert hätte.
    »Sagen Ihnen die Namen Herman King und Katharina Kleve etwas?«, fragte Erik.
    Kohonen schüttelte den Kopf.
    »Dürfte ich bei Ihnen mal kurz ins Internet?«
    »Nur zu.«
    Über Katharina Kleve war nichts Vernünftiges zu finden, aber beim Namen Herman King hieß es plötzlich »Bingo«: ein Lobbyist dieses Namens war am Lockheed-Bestechungsskandal im Westdeutschland der Siebzigerjahre beteiligt gewesen. Vor der Bundestagswahl 1976 waren die Schmiergeldzahlungen des Flugzeugherstellers Lockheed an die Partei CSU und deren Vorsitzenden Franz Josef Strauß ans Licht gekommen.
    Spielte King in seinem Brief darauf an, wenn er von »Wirrnissen« schrieb?
    Erik war mittlerweile ziemlich unbehaglich zu Mute, und er warf einen Blick auf die Uhr. »Ich muss jetzt leider gehen. Ich fliege heute noch nach Berlin.« Den endgültigen Entschluss dazu hatte er erst gefasst, nachdem er Kohonens Unterlagen gesehen hatte. »Könnte ich Kopien davon bekommen?«
    »Selbstverständlich.«
    »Und könnten Sie mir vielleicht Material über die Verbringung dieser Nazis nach Amerika leihen?«, fragte Erik. Kohonen kannte seine Bücherregale offenbar gut, denn ohne zu zögern trat er vor ein überquellendes Regal und fand sofort, was er suchte. »Das hier kann ich Ihnen mitgeben. Und wer könnte mir Auskunft über die Vergangenheit Ihres Vaters geben?«
    »Meine Mutter. Sie haben sich Anfang der Vierzigerjahre in den Vereinigten Staaten kennen gelernt. So habe ich es jedenfalls immer gehört. Und geglaubt . . .«
    |52| »Würden Sie mir ihren Namen geben?«
    »Stormare. Ingrid Stormare. Nach der Scheidung nahm sie wieder ihren Mädchennamen an. Sie wurde in Schweden geboren, lebt aber in England, so wie ich auch. Hier ist meine Adresse. Ich muss jetzt gehen. Vielen Dank, dass Sie so kurzfristig Zeit hatten.«
    Erik gab Kohonen seine Visitenkarte und war beim Verlassen der Wohnung noch irritierter als zuvor.
    Eines war allerdings sicher: Er würde seine Mutter zum Reden bringen.
     
    Rolf spürte einen schneidenden Schmerz im Arm, als Hoffmann ihn aus dem Audi zerrte. Rolf glaubte jedenfalls, dass es Hoffmann war – sehen konnte er es nicht, denn durch die schwarze Augenbinde drang nichts.
    Nach zwanzig

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