Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Erbe des Bösen

Das Erbe des Bösen

Titel: Das Erbe des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
Vom Netzwerk:
Schritten etwa geriet er auf einer steil nach oben führenden Treppe ins Stolpern. Durch das Tempo war er ganz außer Atem, er keuchte heftig, und der Mann, der ihn führte, lockerte ein wenig den Griff.
    Schließlich blieben sie stehen. Rolf wurden energisch die Hände auf den Rücken gedreht und in Handschellen gesteckt. Das kühle Metall ließ ihn zusammenfahren, und im selben Augenblick schnappten die Eisen zu. Inzwischen hatten sie einen Raum betreten.
    »Setzen Sie sich!«, befahl Hoffmann.
    Rolf ließ sich vorsichtig auf dem Rand eines Stuhls nieder. Er wartete auf weitere Anweisungen, aber es kam nichts mehr. Irgendwo unten fiel eine Tür zu. Er war allein.
    Was wollte man von ihm?
    Er holte tief Luft und versuchte sich zu beruhigen. Er war im Laufe seines Lebens schon häufiger in Situationen geraten, in denen die ein oder andere Rechnung offengeblieben war – größere und kleinere. Durch den Brief von Herman King richtete sich Rolfs Verdacht jedoch auf die Jahre bei Lockheed, insbesondere auf den Fonds P400, womit in dem Unternehmen Bestechungsgelder |53| gemeint waren. Die Lockheed-Bestechungsskandale hatten Staaten auf der ganzen Welt erschüttert. In Japan war Premierminister Kakuei Tanaka darübergestürzt, in Holland hatte die weiße Weste von Prinz Bernhard einen Fleck abbekommen, Italien war in eine Regierungskrise geschlittert . . . Und in Deutschland wäre um ein Haar der ehemalige Verteidungsminister Franz Josef Strauß unmittelbar vor der Bundestagswahl 1976 als CS U-Vorsitzender gestürzt worden. Da er Deutsch konnte, war Rolf vom Unternehmen in die Bundesrepublik geschickt worden, um beim Vertuschen des Vorgangs zu helfen, weshalb er über eine Menge sensibler Informationen über die Grauzone der Parteienfinanzierung in Deutschland verfügte.
    Herman King – ein deutsch-amerikanischer Geschäftsmann – war Rolfs Verbindungsmann in Deutschland gewesen. Rolf hatte zwar keine Lust gehabt, mit ihm zu sprechen, aber King oder sonst jemand würde doch nicht auf die Idee kommen, zu solch brutalen Maßnahmen zu greifen, um ihn zum Sprechen zu bringen!
    Erik machte sich bestimmt Sorgen, und irgendwann würde er anfangen, nach ihm zu suchen. Wie würde er das angehen? Wahrscheinlich, indem er in Rolfs Wohnung in Helsinki ging, um herauszufinden, in welchem Hotel sein Vater in Berlin wohnte.
    Die Vorstellung, dass Erik in seinen Unterlagen wühlte und seinen Computer einschaltete, verursachte Rolf zusätzliche Beklemmungen. Natürlich musste es früher oder später dazu kommen, aber die Frage war, ob er zu dem Zeitpunkt noch am Leben sein wollte. Er hatte lange überlegt, ob er seine Geheimnisse mit ins Grab nehmen sollte, und war schließlich zu dem Ergebnis gekommen, dass es besser war, es nicht zu tun. Erik hatte ein Recht darauf, alles zu wissen – aber erst zu einem Zeitpunkt, zu dem Rolf selbst nicht mehr die Last der Scham zu tragen haben würde.
    Ingrid war darüber vollkommen anderer Meinung, doch sie hatte ihre eigenen Gründe, für immer zu schweigen. In einem |54| war er sich mit Ingrid allerdings einig: es war für Erik besser, wenn er nicht alles wusste, was sich im Leben seiner Mutter ereignet hatte.
    Rolf versuchte sich zu erinnern, was für Papiere er in seinen Schreibtischschubladen aufbewahrte. Auf jeden Fall die Briefe von Katharina. Vielleicht käme Erik auf die Idee, irgendwann damit zur Polizei zu gehen.
     
    Der eckige und verbeulte alte Volvo-Kombi kam im Helsinkier Stoßverkehr nur langsam von Kruununhaka nach Katajanokka voran. Erik telefonierte beim Fahren.
    »Es muss sich um ein Missverständnis handeln«
, sagte Ingrid ruhig.
»Vermutlich jemand mit dem gleichen Namen wie Rolf.«
    »Mutter, es gibt nur einen Rolf Narva. Ich habe mich erkundigt. Es sieht schwer danach aus, als hätte er dir über seine Vergangenheit Lügen erzählt.«
    »Warum, um Himmels willen, hätte er mich anlügen sollen?«
    »Er wird schon seine Gründe gehabt haben, seinen Aufenthalt in Deutschland nicht preisgeben zu wollen.«
    Ingrid lachte ungläubig.
»Und was für Gründe sollten das sein?«
    »Keine Ahnung. Ich hatte gehofft, du wüsstest es.«
    Als er in der Laivastokatu anhielt, fragte sich Erik, ob er seiner Mutter ihre Ahnungslosigkeit abnehmen sollte. Am Telefon war jedenfalls nicht mehr aus ihr herauszuholen. »Ich muss aufhören. Ich fliege heute noch nach Berlin.«
    »Warum das denn? Meinst du nicht, dass du etwas überreagierst? Fliegst du dann von dort aus weiter nach

Weitere Kostenlose Bücher