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Das Erbe des Bösen

Das Erbe des Bösen

Titel: Das Erbe des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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nicht schützen zu können.
    Hoffmann stand auf und nahm die Kopie aus Hans’ Tagebuch wieder an sich. An der Tür blieb er stehen. »Denken Sie in Ruhe nach. Wir fahren bald los.«
    Die Tür schloss sich hinter ihm.
    Rolf wurde kalt. Wer war dieser Mann? Was hatte er mit dem Uran vor? Natürlich war es finanziell wertvoll. Es handelte sich zwar nur um eine geringe Menge – dennoch konnte man daraus durchaus eine »schmutzige Bombe« bauen . . .
    Rolf erinnerte sich, dass schon 1943 in Deutschland eine radiologische Bombe entworfen worden war, eine von der Art, die man heute als »schmutzige Bombe« bezeichnete. Der Sprengstoff darin wurde von radioaktiven Stoffen umschlossen. Die Strahlung war dementsprechend auch nicht ihre schlimmste Eigenschaft, |84| sondern die Toxizität der radioaktiven Stoffe. Man versuchte, möglichst effektive Methoden zu finden, um die radiologischen Bomben – und natürlich auch die echten Atombomben, die man bald schon zu besitzen glaubte – ans Ziel zu bringen.
    Doktor Mayer hatte Rolf der Gruppe zugeteilt, die sich mit diesem Thema auseinandersetzte, und das Projekt hatte Rolfs Leben noch einmal schlagartig eine neue Richtung gegeben. Jener Tag im September 1944, der zu den wichtigsten Wendepunkten seiner Karriere, seines gesamten Lebens, gehörte, brach neblig und regnerisch an. Mit seinen Kollegen verließ er am Morgen Stadtilm in Thüringen, wohin die Gottower Atomversuchsstelle des Heeres wegen der Bombardierungen evakuiert worden war. Nach gut hundert Kilometern, in der Nähe des Kohnsteins im südlichen Harz, erreichten sie ein von der SS scharf bewachtes Areal.
    Sie standen vor einem hohen Stahltor, von dessen beiden Seiten sich ein vier Meter hoher Stacheldrahtzaun unendlich weit fortzusetzen schien. Kurz darauf hielt ihr Wagen vor dem mit Planen verhängten Eingang einer in den Felshang gesprengten Höhle. Daneben standen eine Bretterbaracke und zwei schwere Kräne. Ein schmales Gleis führte direkt in den Berg hinein.
    Rolf war durch nichts auf das vorbereitet, was ihm nun bevorstand. Alles, was nun kam, war eine erschütternde Überraschung für ihn.
    Wie aus dem Nichts tauchte eine bleiche, etwa sechzigjährige Gestalt im weißen Kittel auf, um sie in Empfang zu nehmen.
    »Keller mein Name, Manfred Keller. Leitender Oberingenieurr. Herzlich willkommen. Bitte!«
    Die S S-Leute begleiteten die Besucher tiefer und tiefer hinein in den Tunnel. Eine Weile gingen sie im Dunkeln. Dann wurde es heller, und sie hörten einen gewaltigen Lärm. Vor ihnen tat sich ein gewaltiger Stollen auf, der ewig weit ins Dunkel zu führen schien. Inmitten von bläulichem Rauch flogen Funken, und das Quietschen, Dröhnen und Poltern hier war ohrenbetäubend. Scheinwerfer waren auf Werkbänke gerichtet, an denen augenscheinlich |85| unterernährte Männer mit dunklen Bartschatten und in gestreiften Drillichanzügen arbeiteten. Rolf konnte den Blick nicht von den Arbeitern wenden, die ihm am nächsten standen und von einem bewaffneten Aufseher angebrüllt wurden.
    »Diesen Teil der Fabrik nennen wir Mittelwerk 1«, rief Keller aus, ohne einen Hehl aus seinem Stolz zu machen. »Was Sie hier vor Augen haben, ist die Produktion der bislang vielleicht bedeutsamsten technologischen Errungenschaft des Jahrhunderts. Der erste und einzige mit Flüssigkeitsraketentriebswerk ausgerüstete ballistische Lenkflugkörper der Welt! Das gesamte Werk besteht aus zwei S-förmigen Stollen. Jetzt befinden wir uns in Stollen B.   Das Gegenstück befindet sich von uns aus gesehen hundertfünfzig Meter weiter links. Sechsundvierzig Gänge verbinden die beiden Stollen.«
    Auf beiden Seiten des etwa acht Meter hohen und zwölf Meter breiten Hauptkorridors verliefen schmale Schienen. Die darauf rollenden Wagen fungierten als Transfersystem bei der Montage. An einigen Arbeitsplätzen zogen die Häftlinge mit schweren Werkzeugen die Muttern an Metallteilen an, an andern Stellen wurden kleinere Komponenten zusammengeschraubt. Einige der Männer hatten blutige, schmutzige Verbände an den Händen. Am schlimmsten war es, ihre skeletthaften Körper und ihre leeren, gequälten Blicke zu sehen. Eine eiserne Faust krallte sich um Rolfs Herz, aber er hütete sich, eine Reaktion zu zeigen. Zum ersten Mal begriff er, für welche Tyrannei er jahrelang gearbeitet hatte. Bis dahin hatte er sich als reiner Zivilist gefühlt. Und tatsächlich hatte er ja bislang auch nur die Labors des Uranvereins zu Gesicht bekommen. Die

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