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Das Erbe des Bösen

Das Erbe des Bösen

Titel: Das Erbe des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Gefühl gehabt, nicht gut genug für ihre Schwiegermutter zu sein. Ingrid hatte ein enges Verhältnis zu Erik, und Katja hatte manchmal so etwas wie Eifersucht bei ihr zu spüren geglaubt. Womöglich galt das aber auch umgekehrt.
    Den schlimmsten Bruch hatte ihr Verhältnis jedoch erlitten, als Katja mit Emil schwanger war und die Ärzte einen Verdacht auf Trisomie 21, das Downsyndrom, diagnostizierten. Es war schließlich falscher Alarm gewesen, aber Ingrids Reaktion auf den Verdacht war Katja überaus deutlich in Erinnerung geblieben. Ganz selbstverständlich hatte die Schwiegermutter die Ansicht unterbreitet, Katja müsse die Schwangerschaft abbrechen. Eine andere Lösung kam überhaupt nicht in Frage, gerade so, als läge es in der Entscheidungsgewalt der Großmutter. Seit jenem Gespräch pflegten Ingrid und Katja ein eher höflich-kühles Verhältnis.
    Jetzt, nach den Hinweisen auf die Eugenik, geriet der Vorfall von damals in Katjas Augen noch mal in ein völlig neues Licht. Genauer gesagt geriet er in einen düsteren Schattenbereich.
    Die Tür ging so abrupt auf, dass Katja erschrak. Ingrid hatte ihre silbergrauen Haare zu einem lockeren, eleganten Dutt hochgesteckt. Ihre blauen Augen waren klar und wirkten groß in dem durch das Alter schon etwas eingefallenen Gesicht.
    »Katja,
my darling
, du bist es«, sagte Ingrid in herzlichstem Tonfall. »Ich dachte, es ist irgendein Hausierer. In letzter Zeit haben sich hier rumänische Bilderverkäufer und andere dubiose Gestalten herumgetrieben.«
    Katja hörte die Kälte in Ingrids Stimme, als sie von den »rumänischen Bilderhändlern« sprach, und das klang plötzlich noch mal ganz anders. Fast bedrohlich.
    »Ist in Ripley alles in Ordnung?«, erkundigte Ingrid sich. »Hoffentlich habe ich der Yuccapalme nicht zu viel Wasser gegeben, der geht es im Trockenen so gut, man glaubt es kaum . . .«
    »Alles ist in Ordnung, vielen Dank. Du hast sogar die Küche aufgeräumt«, sagte Katja so neutral, wie sie konnte, während sie Ingrid ins Wohnzimmer folgte.
    |126| »Möchtest du ein Glas Kirschsaft?«
    »Danke, gern.«
    Ingrid verschwand in der Küche, dadurch gewann Katja etwas Zeit, um sich zu überlegen, wie sie ihr Anliegen vorbringen sollte. Charlie, die blütenweiße, schwanzlose Manx-Katze, kam lautlos herein und schaute Katja mit unfassbar hellen und großen Augen an, die an die Augen ihres Frauchens erinnerten.
    »Wie war es denn in Finnland?«, rief Ingrid aus der Küche.
    »Schön. Die Kinder wären noch weiß Gott wie lange dort geblieben.«
    Katja überlegte, ob sie Ingrid überhaupt nach Rolf fragen sollte. Bisher war dessen Name in Ingrids Beisein stets tunlichst vermieden worden.
    Als Ingrid ihr das Saftglas reichte, traf Katja ihre Entscheidung. Sie würde wohl mit der Tür ins Haus fallen müssen, denn die Frage, um die es ging, würde in jedem Fall so seltsam klingen, dass es sinnlos war, sie im Voraus abzumildern. Außerdem konnte es durchaus sein, dass der stets so kühlen und kontrollierten Ingrid eher etwas herausrutschte, wenn man sie überraschte.
    Katja nahm einen Schluck Saft, sammelte all ihren Mut, verwünschte Erik noch einmal kurz und fragte dann im Plauderton: »Was hast du eigentlich während des Krieges gemacht?«
    Es wäre nur natürlich gewesen, wenn Ingrid wenigstens mit leichter Verwunderung reagiert hätte. Aber sie entgegnete ohne auch nur eine Sekunde zu zögern: »Ich habe studiert und meine erste Stelle in Boston angetreten. Warum?«
    Es war, als wäre Ingrid auf die Frage vorbereitet gewesen. Am liebsten hätte Katja sie gehörig ausgequetscht, aber Erik hatte ihr verboten, in diesem Stadium etwas preiszugeben.
    Frustriert trank Katja ihr Glas aus und stellte es auf den Tisch.
    Schließlich war es Ingrid, die das drückende Schweigen brach.
    »Hat euch Rolfs Reise auf die Idee gebracht, danach zu fragen, was ich im Krieg gemacht habe?«
    »Ich muss jetzt gehen. Emil hat ein bisschen Fieber. Diese Klimaanlagen im Flugzeug sind Gift für ihn.«
    |127| Erst jetzt war in Ingrids Gesicht ein Hauch von Irritation zu erkennen.
    »Brauchst du Hilfe?«, fragte sie, wobei sie versuchte, möglichst natürlich zu klingen. »Ich könnte ohne weiteres morgen zu euch kommen, falls du in der Firma zu viel zu tun hast.«
    Genau. Typisch Ingrid. Die Firma. Als wäre Katja die Firma wichtiger als Emil.
    »Nein danke, ich komme gut zurecht«, sagte Katja und war eigentlich sogar froh über das Unwirsche in ihrer Stimme. Zu ihrer eigenen

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