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Das Erbe des Bösen

Das Erbe des Bösen

Titel: Das Erbe des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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dunkel und fast unleserlich werden lassen.
    Es gab viele Kindergräberr, Manfred musste mehrere davon mit Stöcken markieren: Konrad von Klingenberg, 1888   –   1893, Friedrich von Klingenberg, 1859   –   1871, Matthias von Klingenberg, 1831   –   1832.
    Eines fand sich noch, in dessen Stein eine Zahl aus dem 19.   Jahrhundert eingemeißelt war: Wolfgang von Klingenberg, 1796   –   1803.
    »Jedes dieser Gräber kann es sein«, erklärte Rolf nervös. »Genauer kann ich es nicht sagen.«
    Hoffmann sah ihn im Schein der Taschenlampe drohend an. In seiner Hand lag plötzlich eine Pistole.

|130| 17
    Mechanisch löffelte Erik im Marché-Selbstbedienungsrestaurant am Kurfürstendamm seine Tomatensuppe. Immer schwerer lasteten Katharina Kleves Worte auf ihm. Es ging bereits auf elf Uhr zu, und die Angestellten des Lokals räumten die Gemüse- und Obstarrangements, mit denen die Theke dekoriert war, ab.
    Die Haltung seiner Mutter machte Erik wütend. Sein Vater war unter zweifelhaften Umständen verschwunden, aber sie machte keinerlei Anstalten, bei der Aufklärung all dieser dubiosen Dinge zu helfen. Sie hatte Katja gegenüber nicht einmal zugegeben, während des Kriegs in Deutschland gewesen zu sein, geschweige denn, was sie dort getrieben hatte.
    Zu allem Überfluss war es Erik dann noch gelungen, Katja gegen sich aufzubringen, weil er noch immer nicht bereit gewesen war, ihr Einzelheiten zu erzählen. Einerseits hatte er Verständnis für Katja, andererseits ärgerte ihn ihre ewige Ungeduld. Sie hätte ja vielleicht auch mal Verständnis dafür aufbringen können, dass man über Dinge von dieser Größenordnung erst sprechen will, wenn sie gesichert sind.
    Erik kam sich alleingelassen und betrogen vor. Aber statt sich vom Selbstmitleid überwältigen zu lassen, zwang er sich, logisch über die Vergangenheit nachzudenken. Er versuchte, sich an Situationen zu erinnern, in denen sein Vater oder seine Mutter über Nazideutschland gesprochen hatten. Irgendwann Ende der Siebziger-, Anfang der Achtzigerjahre hatte es in Amerika einen Eklat wegen der Nazivergangenheit von Wernher von Braun und Arthur Rudolph gegeben, aber Erik konnte sich nicht erinnern, dass sein Vater den Vorfall in besonderer Weise kommentiert |131| hätte, obwohl er beide Männer im beruflichen Zusammenhang kennengelernt hatte.
    War sein Vater deshalb so schweigsam gewesen, weil er selbst für Hitler-Deutschland gearbeitet hatte? Der Gedanke war schrecklich, aber Erik konnte ihn nicht ignorieren, bloß weil er ihm zusetzte. Als Genforscher war er logisches, auf Fakten basierendes Denken gewöhnt, in dem es keinen Platz für Spekulationen gab.
    Nachdem er gegessen hatte, stand Erik auf, zog seine Jacke an und machte sich auf den Weg zu seinem Hotel. Er war im selben Hotel abgestiegen, in dem auch sein Vater ein Zimmer hatte.
    Unterwegs rief er Kohonen in Helsinki an, entschuldigte sich für die ungehörige Uhrzeit und fragte, wo man das Immatrikulationsverzeichnis des Kaiser-Wilhelm-Instituts aus den Dreißiger- und Vierzigerjahren einsehen könne. Er wollte darin nach dem Namen Ingrid Stormare suchen.
    Seine Mutter würde sich kaum noch weigern können, über das Thema zu sprechen, wenn ihr Name schwarz auf weiß unter den anderen Studenten verzeichnet wäre.
     
    »Scheiße«, fluchte Hoffmann frustriert zwischen den Grabsteinen. Im Wald hörte man inzwischen schon eine Eule rufen, das Licht der Taschenlampen verstärkte die geisterhafte Stimmung.
    Rolfs Beklemmungen wuchsen zusehends ins Unermessliche. Immerhin waren die Pistolen wieder verschwunden – dass sie in Gedächtnisfragen auch nichts helfen würden, das hatte sogar der wütende Hoffmann verstanden. Zwei Stunden lang stapften sie bereits durch das hohe Gras und hoben Grabsteine an, Schuhe und Strümpfe waren klatschnass und die Kleider voller Kletten. Mit einer Eisenstange, die sie in der Ruine der Kapelle gefunden hatten, stocherten sie an verschiedenen Stellen in der Erde, um zu prüfen, ob ein Grab eher als potenzielles Versteck taugte als ein anderes.
    »Sehr tief muss man nicht gehen«, erklärte Rolf mit von Feuchtigkeit und Anspannung heiserer Stimme. »Ein Meter genügt. |132| Und Sie sollten direkt vor dem Stein graben. Daran erinnere ich mich immerhin genau.«
    Die Dunkelheit ringsum war beklemmend, aber sie bot auch Schutz. Einen Moment lang spielte Rolf sogar mit dem Gedanken, sich einen der beiden Spaten zu schnappen und ihn zuerst Hoffmann und dann Manfred

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