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Das Erbe des Bösen

Das Erbe des Bösen

Titel: Das Erbe des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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dem Schild stehen, sogar Bad Liebenstein war möglich.
    Die Lage war aussichtslos. Er war zuletzt vor dreiundsechzig Jahren in dieser Gegend gewesen, im Dunkeln und unter einer Lastwagenplane. Die Straßenverläufe konnten sich seitdem mehr als einmal geändert haben. Andererseits konnte es in der ehemaligen DDR Gegenden geben, die zu Zeiten des Kommunismus wie eingefroren waren.
    |117| Rolf schloss die Augen. Die physische Nähe der Orte führte seine Gedanken wieder in die Vergangenheit – und jetzt wollte er sich wirklich erinnern.
    Nach dem Luftangriff der Amerikaner war er mit Hans die kleine Straße, die vom Großen Inselsberg nach Brotterode führte, so schnell hinuntergegangen, wie es dem verletzten Hans möglich gewesen war.
    Hans ging voraus, und plötzlich blieb er so abrupt stehen, dass Rolf von hinten gegen ihn stieß.
    »Langsam«, zischte Hans. »Geh ganz ruhig weiter . . . ganz, ganz ruhig.«
    Rolf begriff zunächst nicht, was los war, aber der Tonfall des Freundes sorgte dafür, dass sich sein Puls beschleunigte. Dann tauchte hinter der Kurve die Silhouette eines Lastwagens auf. Daneben waren drei oder vier Wachleute zu erkennen. Ein Bach, der auf der linken Seite plätscherte, übertönte die Stimmen.
    »Ein Kontrollpunkt der Feldgendarmerie. Verdammt! Zum Glück haben wir die Pässe und die Passierscheine.« Hans versuchte seinen Atem zu beruhigen. »Und denk dran: Ich rede.«
    »Besser das als ein mobiles Feldgericht der SS samt Hinrichtungskommando«, murmelte Rolf.
    Er zählte schließlich mindestens acht S S-Militärpolizisten mit Maschinengewehren. Nur ein Offizier war dabei, seinen genauen Rang erkannte Rolf nicht sofort.
    »Halt! Ihre Papiere!«
    Hans nickte und machte eine Handbewegung. »Guten Abend, Herr Oberscharführer.« Ganz selbstverständlich zog er mit seiner blutigen Hand den Pass aus der Innentasche seiner Jacke, und Rolf folgte seinem Beispiel. Aus dem Augenwinkel sah Rolf, dass die Feldgendarmen der Waffen-SS einen Halbkreis um sie bildeten.
    Der Oberscharführer gab Hans den Pass zurück.
    »Sind Sie von den Thunderbolts unter Beschuss genommen worden? Warum, um Himmels willen?«
    »Wir befanden uns an einer offenen Stelle . . . offenbar haben sie uns für Soldaten gehalten.«
    |118| Der Oberscharführer vertiefte sich in Rolfs finnischen Pass. Seine Augenbrauen hoben sich. »In welcher Angelegenheit sind Sie hier unterwegs?«
    Hans überreichte dem Oberscharführer den Brief des Reichssicherheitshauptamtes. Rolf hielt es für angebracht, auch seinen Brief hervorzuholen.
    »Würde das als Passierschein genügen?«, fragte Hans mit möglichst sachlichem, ja amtlichem Ton.
    »Macht einen außergewöhnlichen Eindruck. Außerdem ist hier von einem Konvoi die Rede. Sie beide gehen aber zu Fuß. Wo können wir anrufen, um uns zu versichern, dass Sie in ehrlicher Absicht unterwegs sind?«
    »Beim Heereswaffenamt, Doktor Mayer«, entgegnete Hans selbstsicher.
    »Ich meine jemanden von der SS«, gab der Oberscharführer unwirsch zurück.
    Hans überlegte nicht eine Sekunde lang. »Setzen Sie sich direkt mit Obergruppenführer Kaltenbrunner in Verbindung, falls Sie es für unumgänglich halten, ihn zu belästigen. An untergeordneten Stellen weiß man nichts von unserer Mission, und wir sind nicht befugt, darüber mit irgendjemandem zu sprechen.«
    Allein die Erwähnung des Namens Kaltenbrunner irritierte den Oberscharführer und ließ ihn unsicher werden. Er hielt die mit Stempel versehenen, von Kaltenbrunner unterschriebenen und überdies echt wirkenden Dokumente in der Hand. Schwer vorstellbar, dass jemand ein so riskantes Täuschungsmanöver versuchen sollte. Darum gab er die Briefe rasch zurück.
    »Bitte. Sie können passieren. Heil Hitler!«
    Hans und Rolf erwiderten ruhig den Nazigruß und schickten sich an, weiterzugehen.
    »In Brotterode gibt es kein Hotel«, rief ihnen der Oberscharführer noch hinterher. »Sollen wir Sie dort abholen?«
    »Ja, später«, rief Hans zurück, ohne sich umzudrehen. Es bestand kein Anlass, mit der SS mehr als das Nötigste zu reden. |119| Mit dem Handy am Ohr saß Erik im Taxi, das im abendlichen Berufsverkehr in Richtung Berlin-Charlottenburg fuhr.
    »Ich habe Vater in einem Auto an mir vorbeirasen sehen«, erzählte er Katja, die gerade mit den Kindern in Ripley nach Hause gekommen war.
    »Tatsächlich? Und du hast nicht mit ihm reden können?«
    »Er kam von einer alten Frau«, sagte Erik ausweichend. »Ich möchte dich bitten, zu Ingrid zu

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