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Das Erbe des Bösen

Das Erbe des Bösen

Titel: Das Erbe des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Vater mit seinem Benz fährt, ist wahrscheinlich das Stück Waldweg zu unserem Sommerhaus.«
    Er setzte den Blinker und bog in eine breite, nicht asphaltierte Nebenstraße ein. Dann drehte er die Musik ab und blickte wieder intuitiv in den Rückspiegel, obwohl garantiert niemand dem silbergrauen Mercedes-SUV folgte, mit dem sie vor knapp drei Stunden vor einem großen Einfamilienhaus im Espooer Stadtteil Haukilahti losgefahren waren.
    Roopes Handy klingelte in der Türablage. Es war ein Prototyp von Nokia, das er von einem Freund zum Testen bekommen hatte. Auf dem Display stand: RAINE.
    |138| »Ja?«, meldete er sich.
    »Wo bleibt ihr?«, fragte Raine nervös.
    »Wir kommen. Eine Viertelstunde noch. Mach dich nicht verrückt.«
    Die Scheinwerfer strichen über die rötlichen Stämme hoher Kiefern, die Straße wurde immer schmaler.
    »Ihr seid alle so verdammt nervös«, stellte Teemu fest. »Ihr hättet bei euren Studentenstreichen bleiben sollen.«
    Roope schwieg. Sie fuhren an einem großen, aus Balken gebauten Ferienhaus vorbei, das fast unmittelbar am Seeufer stand. Roope warf einen kurzen Blick darauf. Dort war er als Kind immer gewesen, als Teenager dann immer seltener. Auch der Rest der Familie war kaum noch dort gewesen, seit der Vater einen Teil seiner Firma verkauft und das Geld in eine Wohnung in der Nähe von Nizza gesteckt hatte.
    Sie fuhren weiter durch den Wald, bis sie an eine Wiese mit einer alten Scheune kamen. Roope hielt an. In der Scheune brannte Licht.
    Roope stieg aus, zog sich ein Sakko über den Kapuzenpulli und ging, gefolgt von Teemu, auf das Gebäude zu, aus dem ihnen Raine bereits schlotternd entgegenkam. Die Nacht war kühl, und der Wald roch nach Herbst.
    Raine Mattson stammte aus Vaasa und war einige Jahre älter als Roope und Teemu. Er war dünn, trug eine Brille und arbeitete an seiner Dissertation im Elektroniklabor der TH Vaasa. Er war die Sorte von Wunderkind, das alles wusste, glaubte, immer recht zu haben – und das sehr oft auch tatsächlich recht
hatte
, so schwer es anderen fiel, es zuzugeben.
    Sie gingen an dem Traktoranhänger voller Kies vorbei, der neben dem Tor stand, und betraten die Scheune, die von einer schwachen Glühbirne erleuchtet wurde. Auf dem Tisch standen mehrere Laptops, auf Raines Bildschirm lief noch das Spiel ›Grand Theft Auto‹, Roopes Bildschirm zeigte die Startseite der Universität Harvard.
    Roope hatte ein sehr gutes Abitur hingelegt und versuchte |139| eine Entscheidung zu treffen, ob er im Ausland Internationale Politik studieren oder sich weiterhin mit der finnischen TH zufriedengeben sollte. Erst vor kurzem war ihm der Gedanke gekommen, beides zu versuchen.
    Er steckte den Stecker der Verlängerungsschnur ein, und gleißendes Halogenlicht erhellte den Raum. Mitten in der Scheune lag ein langer, zylinderförmiger, zweifarbig angestrichener Gegenstand. Die Spitze war blau, der Rumpf weiß, abgesehen von den schmalen Flügeln, die ebenfalls blau waren, wie auch der stilisierte Buchstabe »F« auf dem Rumpf. Um das Heck lief ein schwarzer Ring, und auf der Seite stand die schwarze Aufschrift »LALLI 1«.
    »Scheiße, Mann«, flüsterte Teemu in einer Mischung aus Begeisterung und Lachen. »Ihr habt sie angestrichen. Habt ihr Finnair als Sponsor gewonnen, oder was?«
    »Das F steht für Finnland.«
    Teemu nahm militärische Haltung an und veränderte die Stimme. »Beginnen wir mit der Energiequelle«, äffte er Professor Teuvo Saavalainen nach, der an der TH Maschinentechnik unterrichtete und in dessen Vorlesungen sie alle gesessen hatten. »Verpuffungsstrahltriebwerk, sichere Sache und billig. Damit ist schon die V1 der Nazis geflogen . . .«
    »Halt die Fresse«, brummte Roope.
    In den Sechzigerjahren waren solche Motoren auch in Finnland in Bastelgeschäften verkauft worden. Dann wurden die Raketen gesetzlich verboten, und heutzutage mussten alle Experimente unter der Aufsicht des Staatlichen Amts für Sicherheitstechnik durchgeführt werden. Allerdings hatten Roope und seine Freunde nichts über ihr Projekt verlauten lassen, obwohl es definitiv größere Ausmaße hatte als alle Versuche diverser Raketenclubs.
    Teemu war über den Ursprung des Projekts die offizielle Version erzählt worden: Ein Typ, der sein Diplom an der TH Helsinki gemacht hatte, hatte von einem Neuseeländer gelesen, der es sich in den Kopf gesetzt hatte, aus frei erhältlichen Teilen ein Cruise-Missile |140| zu bauen. Das hatte den eifrigen Dipl.-Ing. auf die Idee

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