Das Erbe des Bösen
getroffen. Nebenbei gesagt: die Technik hätte uns nicht daran gehindert, eine größere Rakete zu bauen und sie in den Innenhof des Kreml zu schießen.
Wird Putin nach unserer Demonstration aufmucken? Vielleicht kurz. Aber bald wird ihm klar werden, dass dieser fliegenschissgroße Schandfleck auf dem Raketenabwehrschild seiner Großmacht nur hilfreich für Russland ist. Denn wenn Finnland ein paar Atomraketen besitzt, kann man den NAT O-Beitritt vergessen. Und |182| niemand außer den Führungen Finnlands und Russlands wird von den finnischen Atomsprengköpfen erfahren. Spätestens LALLI 2 wird Moskau bestätigen, dass sich Finnland nicht in die Arme der NATO werfen wird.
Was aber ist LALLI 2? Eine Rakete, die LALLI 1 entspricht, jedoch ausgerüstet ist mit einem kleinen Gefechtskopf, der angereichertes Uran enthält. Es handelt sich dabei natürlich nicht um eine Kernwaffe – noch nicht –, sondern um eine so genannte schmutzige Bombe, deren Explosion ein Gebiet für lange Zeit unbewohnbar macht. Das Uran-Isotop für den Kopf von LALLI 2 können Sie durch die Probe verifizieren, die sich im Helsinkier Hauptbahnhof in Schließfach 72 befindet.
LALLI 2 ist auf ein bestimmtes Ziel gerichtet, und die Rakete wird dorthin abgeschossen werden, wenn unsere Forderung nicht erfüllt wird. Diese Forderung lautet:
Finnland leitet unverzüglich den heimlichen Bau von Marschflugkörpern mit Atomsprengkopf in die Wege. Als Basis des Projekts können die bereits vorhandenen Organisationsstrukturen der Rüstungsindustrie, der technischen Hochschulen, des Wissenschaftskomitees der Streitkräfte und der Kernkraftbetreiber genutzt werden.
Innerhalb von zwei Jahren verfügt Finnland dann über fünf versteckte, aber mobile, abschussbereite und mit Sprengkopf ausgerüstete Marschflugkörper.
Sobald dieses Ziel erreicht und überprüft worden ist durch ein Verfahren, von dem wir Sie zu gegebener Zeit in Kenntnis setzen, teilen wir den Standort von LALLI 2 mit, damit Sie die Rakete gegebenenfalls zerstören können.
Hochachtungsvoll
Das blauweiße Bündnis
P.S.: Eine Kopie dieses Briefes ist auch dem Kreml vertraulich übermittelt worden.
|183| Vanhanen legte das Blatt Papier aus der Hand. Er war ohnmächtig vor Wut. Wie konnte es solchen kindischen Idioten gelingen, eine Rakete zu bauen, die bis nach St. Petersburg flog?
Er warf einen Blick auf die technischen Angaben, die dem Schreiben beigelegt waren: »Die benötigten Grundkomponenten und Materialien sind sehr einfach: ein GP S-System mit Computeranschluss, ein Computer, rostfreier Stahl, Polystyren, versteifbarer Kevlar-Stoff . . . Die Anschaffungen wurden hauptsächlich über eBay und Hobbyshops im Internet getätigt . . . In der Testphase haben wir für den Empfang telemetrischer Daten während des Flugs der Rakete eine R F-Verbindung verwendet . . . Die aerodynamische Stabilität konnte als ausreichend bezeichnet werden . . . Eine Gyroskopsteuerung hätte ein ziemlich kompliziertes Computerprogramm erfordert, weshalb wir uns für ein einfacheres neues Infrarot-Stabilitätssystem entschieden haben, wie es z. B. in Modellflugzeugen angewendet wird . . . Die Verbundstoff- und Polystyrenstruktur von Rumpf und Oberflächenmaterialien sorgen dafür, dass die Rakete nur schwer vom Radar erfasst werden kann . . . Kosten: Elektronik und Software 2.860 Euro, Rumpf 6.180 Euro, Motor 2.950 Euro . . .«
Wie es aussah, fehlte es den Tätern nicht an den technischen Voraussetzungen. Ihr politischer Sachverstand dagegen war umso unterentwickelterr. Er lag etwa bei Null.
Johan Schalin, der Sonderberater für internationale Angelegenheiten, war neben Vanhanen getreten und stellte seinen aufgeklappten Laptop auf den Tisch.
»Was ist?«, fragte Vanhanen.
»Die Sicherheitspolizei hat angerufen, das Ganze ist schon hier drin . . .«
Schalin öffnete die YouTube-Homepage, an die jeder seine Videoaufnahmen schicken konnte. Als Suchwort gab er ein: »Missile, St. Petersburg«.
Auf dem Bildschirm erschien ein Kasten mit einem »Play«-Symbol. Schalin klickte es an. Zuerst waren junge blonde Frauen |184| zu sehen, von denen eine etwas auf Schwedisch sagte, dann kam eine Parklandschaft ins Bild – und schließlich eine vom Himmel herabstürzende weiß-blaue Rakete.
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Saiid holte tief Luft. Die schwere Bleischürze hob sich, und das weiße Filterpapier seines Mundschutzes saugte sich an seinen Lippen fest.
Langsam schob er die runde Bleiplatte zur
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