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Das Erbe des Bösen

Das Erbe des Bösen

Titel: Das Erbe des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Geschichte in dem großen, mehrstöckigen Geschäft war gut sortiert. Erik stellte das ›Personenlexikon zum Dritten Reich‹ mit dem Untertitel ›Wer war was vor und nach 1945‹ ins Regal zurück.
    Es war das sechste Werk, dessen Register er sich angesehen hatte. Ingrid Stormare und Rolf Narva wurden zum Glück in keinem davon genannt. Erik wählte ein Buch über die Physik in |191| Nazideutschland sowie eine Darstellung zur »Rassenhygiene« und ging damit zur Rolltreppe.
    Unten kam er an dem kleinen, modern gestalteten Buchhandlungscafé vorbei, an dessen Wand ein flacher T V-Bildschirm angebracht war.
    Abrupt blieb Erik stehen, denn eine Grafik von CNN fesselte seine Aufmerksamkeit: auf einer Karte war Finnland zu sehen, und von dort führte ein gebogener Pfeil bis nach St. Petersburg. Daneben war die Darstellung einer Rakete zu erkennen.
    Verblüfft ging Erik näher heran, um den Ton zu hören.
    ». . . bestreiten, etwas davon zu wissen. Nach Angaben der russischen Nachrichtenagentur Interfax wurde der Flugkörper von Finnland aus abgeschossen und schlug im Alexander-Park im Zentrum von St. Petersburg ein. Verletzt wurde bei dem Einschlag niemand. Einem Vertreter des russischen Verteidigungsministers zufolge handelte es sich nicht um eine militärische Waffe. Das Versagen der russischen Luftraumüberwachung erinnert an das Jahr 1987, als es dem Deutschen Matthias Rust gelungen war, mit einer Cessna bis nach Moskau zu fliegen
. . .
«
    Was war denn das nun schon wieder? Erik kam zu dem Schluss, dass er selbst genügend Probleme hatte, und setzte seinen Weg zur Kasse fort.
     
    Rolf war das stundenlange Warten leid. Auf sein Schicksal hatte er ohnehin keinen Einfluss mehr.
    Er war schon einmal in seinem Leben in einer solchen Situation gewesen, wochenlang. Jetzt spürte er das Gefühl von damals wieder in sich hochsteigen: diese totale Hilflosigkeit.
    Damals hatte er zumindest gewusst, wessen Gefangener er war. Die Amerikaner waren zwar vergleichsweise höflich gewesen, trotzdem hatte er sich bedroht gefühlt. Man hatte ihm einen entsetzlichen Film über die Befreiung der Konzentrationslager gezeigt, mit Bildern, die ihn noch Jahrzehnte später bis in den Schlaf hinein verfolgt hatten. In den Augen der Amerikaner, die ihn verhörten, war er ja ein »Scheißnazi« gewesen . . .
    |192| Rolf erinnerte sich, wie der Major hinter dem Schreibtisch sich in seinen Sessel zurücklehnte. »Na, dann erzählen Sie doch mal: wart ihr überrascht von den Ereignissen, die zur Beendigung des Krieges in Asien geführt haben? Hat es euch überrascht, dass die Vereinigten Staaten mit ihrer Atombombe so viel weiter waren als ihr?«
    »Als
wir
? Das war ausschließlich ein Projekt der Deutschen . . . Aber doch, ja, es war überraschend. Die deutschen Atomforscher hatten fest daran geglaubt, dass Deutschland bei der Entwicklung vorne lag.«
    »Viele Ihrer ehemaligen Kollegen, angefangen bei Doktor Heisenberg und Doktor von Weizsäcker, haben genau dasselbe behauptet. Wussten Sie, dass die beiden zusammen mit zehn anderen in England interniert sind?«
    »Seit März habe ich nichts mehr von ihnen gehört.«
    »Und wissen Sie, dass Ihre Kollegen aus dem Mittelwerk in den Bayerischen Alpen zusammengezogen worden sind? Wernher von Braun und seine gesamte Raketentruppe?«
    »Ich weiß nichts, weil mir niemand etwas erzählt hat . . . Selbst meine Frau habe ich seit fünf Monaten nicht gesehen. Ich weiß nicht einmal, ob sie noch am Leben ist.« Rolf spürte, dass die äußerste Grenze seiner psychischen Belastbarkeit längst überschritten war, obwohl man ihn durchaus korrekt behandelte. »Haben Sie denn die Absicht, mich jemals hier herauszulassen? Ich weiß ja nicht einmal, was Sie von mir wollen . . .«
    »Ihrer Frau fehlt nichts. Sie befindet sich im britischen Sektor Berlins, gesund und bei Kräften.«
    Rolf klopfte das Herz bis zum Hals. »Ist sie auch verhaftet worden? Warum hat mir niemand etwas davon erzählt?«
    »Ihre Frau hat an der Erforschung der Auswirkungen radioaktiver Strahlung auf das Erbgut des Menschen mitgearbeitet. Und nun heißt es von Seiten der Vereinigten Staaten, es bestünde die Möglichkeit, bestimmte Schlüsselpersonen – vor allem solche, die in der Kernwaffen- und Raketenforschung tätig waren – auf die Gehaltsliste Washingtons zu setzen. Wenn es nach mir ginge, |193| würde man weder Ihnen noch Ihrer Frau einen solchen Vorschlag unterbreiten, aber die Anweisung kommt von bemerkenswert hoher Stelle.

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