Das Erbe des Bösen
meinst du damit?«
»Vielleicht sind es ja nur haltlose Verdächtigungen, aber ich möchte trotzdem
dich
bitten, Mutter die Nachricht zu überbringen. Und sie zu fragen, ob sie in Deutschland studiert hat.«
»Was willst du damit sagen? Hat sie . . .«
»Ich kann dir das jetzt nicht erklären. Tu einfach, worum ich dich bitte.«
»Willst du jetzt nicht endlich nach Hause kommen?«
»Ich komme bald. Aber du kannst dir ja vorstellen, dass ich mich hier erst um die Überführung nach Finnland kümmern muss. Er wollte immer in Helsinki begraben werden. Wahrscheinlich muss ich ihn erst mal identifizieren. Sag den Kindern noch nichts. Ich will es ihnen selbst sagen. Und außerdem . . . außerdem muss ich wissen, was mein Vater hier getan hat.«
»Erik? Kommst du zurecht? Möchtest du, dass ich zu dir nach Berlin komme?«
»Mach dir keine Sorgen. Ich bin bald wieder zu Hause.«
Ministerpräsident Matti Vanhanen nahm am Kopfende des Kabinettstisches den Hörer ans Ohr. Er hörte einen Moment zu, gab einige zustimmende Laute von sich und legte auf.
»Die SiPo teilt mit, dass sich in dem Bahnhofschließfach exakt das befand, was in dem Erpresserschreiben behauptet wird. Das Uran-Isotop 235. Sehr wenig, ungefähr acht Gramm, aber immerhin.«
Die Mitglieder des innersten Kerns der Regierung sahen sich besorgt an.
»Die Lage ist in jeder Hinsicht unerträglich«, fuhr Vanhanen fort. »Der Erpressung dürfen wir uns selbstverständlich nicht beugen. Schon gar nicht, weil die Forderung völlig absurd ist. Bleibt also keine andere Wahl, als diese Verrückten so schnell wie möglich zu schnappen und zur Verantwortung zu ziehen. Sie haben |207| eine Rakete nach St. Petersburg abgeschossen und sie sind tatsächlich im Besitz von radioaktivem Material. Sie wären also durchaus in der Lage, eine schmutzige Bombe herzustellen und sie auf ein beliebiges Ziel zu richten.«
Schwere Stille machte sich um den Tisch herum breit.
»Sollten wir also pro forma eine Kommission zusammenstellen, die vorgibt, die Voraussetzungen für diese absurde Forderung zu prüfen?«, fragte Finanzminister Katainen vorsichtig. »Ich meine, falls wir auf Zeit spielen müssen . . .«
Zunächst mochte niemand etwas dazu sagen.
»Wenn wir den Erpressern vorspielen müssen, dass wir Vorbereitungen treffen, dann wird das natürlich auch gelingen«, sagte Arbeitsministerin Cronberg, die auch Vorsitzende der Grünen war. »Die Wahrheit ist doch, dass man in Finnland jederzeit eine Kernwaffe bauen könnte.«
Es klopfte, und der Adjutant von Präsidentin Halonen trat ein. Seine Chefin rauschte hinterherr.
»Ich habe das Fax im Auto gelesen«, keuchte sie. »Gibt es neue Informationen?«
»Nein, außer dass die Tasche, die im Bahnhofschließfach gefunden wurde, U-235 enthält«, sagte Vanhanen. »Die SiPo kennt die Gruppierung nicht, die Abschussstelle ist auch noch unbekannt . . . Wir haben ausgemacht, dass Ilkka eine Pressekonferenz einberuft und erstmal versucht, die Medien zu beruhigen. Und wenn du bitte direkt im Kreml anrufen würdest, könnten wir zumindest schon mal unser Bedauern zum Ausdruck bringen und versprechen, Russland als erstes zu informieren, sobald wir etwas in Erfahrung gebracht haben.«
»Das ist sicher das Klügste«, antwortete Halonen. »Risto! Mach mir doch bitte eine Leitung zu Putin, ach ja, mit Dolmetscher. Ich hab keine Lust, jetzt Deutsch mit ihm zu radebrechen . . . Nimm, wen du kriegen kannst, oder guck erst, ob Tuija oder Marja zu erreichen sind. Oder warte noch zwei Minuten, damit ich mir ein paar Stichpunkte machen kann . . . Was gibt es bis jetzt an gesicherten Fakten?«
|208| »So gut wie nichts, außer dass die finnische Armee mit der ganzen Sache natürlich nichts zu tun hat«, sagte Außenminister Ilkka Kanerva. »Das ist keine umgekehrte Version des berühmten Zwischenfalls in Inari.«
Im Dezember 1984 hatte sich ein Flugkörper der russischen Marine verirrt und war im lappischen Inari eingeschlagen.
»Und nach den Verantwortlichen wird selbstverständlich mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln gefahndet«, ergänzte Vanhanen.
Sie alle hatten noch in bester Erinnerung, welche harte Linie Russland beim Denkmalstreit von Tallinn gefahren hatte.
|209| 31
Katja sog die feuchte, frische Luft ein. Eriks Anruf aus Berlin hatte sie aus der Fassung gebracht. Um nichts in der Welt hätte sie Ingrid diese Nachricht überbringen mögen, aber in dieser Situation konnte sie Eriks Bitte nicht ausschlagen.
Dunkle
Weitere Kostenlose Bücher