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Das Erbe des Bösen

Das Erbe des Bösen

Titel: Das Erbe des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Katja hätte sich gewünscht, ebenso stilvoll zu altern, aber das würde wahrscheinlich ein Traum bleiben, denn ihre nordkarelischen Gene wiesen in eine völlig andere Richtung. Genau das schien Ingrid schon bei ihrer ersten Begegnung Anfang der Achtzigerjahre bemerkt zu haben – von Anfang an war sie ihrer finnischen Schwiegertochter mit einer gewissen Überheblichkeit gegenübergetreten. Zwar war es nichts Ungewöhnliches, dass Schweden sich gegenüber Finnen überlegen fühlten, aber in Ingrids Haltung schien noch etwas anderes mitzuschwingen.
    »Was ist denn los?«, fragte Ingrid, als sie die ernste Miene ihrer Schwiegertochter sah.
    »Ich habe traurige Nachrichten.«
    »Was denn für Nachrichten?«, fragte Ingrid und versuchte Katjas Blick zu erforschen.
    |212| »Rolf ist tot. Es tut mir sehr leid . . .«
    Ingrid starrte Katja eine Weile ausdruckslos an. Dann ließ sie ihre Hände los, wandte sich ab und schaute aus dem Fenster auf die riesige Kastanie im Garten.
    »Wie ist es denn passiert?« Ihre Stimme klang kühl und interessiert. Mit dieser Reaktion machte sie bei Katja keine Punkte gut.
    »Er wurde in der Nähe von Berlin von einem Auto überfahren.«
    Ingrid sah nach wie vor aus dem Fenster. Vielleicht hätte man in ihrem Gesicht mit viel gutem Willen einen Anflug von Gefühl erkennen können – ganz sicher aber spiegelte sich darin keinerlei echte Trauer. Eher hatte es den Anschein, als bemühte sich die alte Frau nach Kräften, sich zu beherrschen. Fast wirkte es so, als setzte sie alles daran, nur ja keinen Fehler zu machen.
    Plötzlich richtete Ingrid ihren Blick wieder auf Katja.
    »Warum hat Erik mir das nicht selbst gesagt? Warum schickt er seine Frau?«
    Katja war überrascht und verblüfft, denn die Worte kamen unangemessen schroff. Mit einer solchen Reaktion hatte sie nicht gerechnet.
    »Erik ist in Deutschland . . . Er muss sich dort um alles kümmern und wird erst mal noch nicht nach Hause kommen.«
    »Das lässt sich doch alles auch von hier organisieren! Warum ist er überhaupt so überstürzt nach Deutschland geflogen? Ich habe ihm doch schon lange gesagt, dass Erik auch nicht helfen kann, wenn Rolf gesundheitliche Problem bekommt.«
    Ingrids Ton wurde immer gereizter, sie schien das selbst zu bemerken.
    »Warum kann er mich nicht wenigstens anrufen?«, fragte sie etwas ruhiger.
    »Er denkt vermutlich, es ist besser, wenn dir jemand die Nachricht persönlich überbringt . . .« Katja begriff, wie dünn ihre Erklärung war. »Er versucht außerdem herauszufinden, warum Rolf überhaupt in Berlin war. Er hofft, dass du mir etwas |213| über eure Zeit in Deutschland erzählen kannst. Das würde ihm helfen, Licht in die Sache zu bringen. Hast du in Deutschland studiert?«
    »Unsere Zeit in Deutschland?«
In Ingrids Augen blitzte es auf. »Was meinst du damit? Willst du mich verhören? Hat Erik dich deshalb geschickt? Ich habe dazu nichts zu sagen . . . Es gibt keine
Zeit in Deutschland

    Sie drehte sich um und ging hoch erhobenen Hauptes zur Tür.
    »Lena«, rief sie ihrer Angestellten zu. »Würdest du Katja bitte zur Tür begleiten. Sie möchte gehen.«
    Katja sah zu, wie Ingrid, ohne sich noch einmal umzudrehen, durch die Eingangshalle schritt und im Zimmer gegenüber verschwand. Lena näherte sich Katja verdutzt und unsicher.
    Doch bevor Lena etwas sagen konnte, marschierte Katja an ihr vorbei und verließ das Haus. Sobald sie ihren Wagen erreicht hatte, rief sie Erik an.
    »Schlimmer hätte es nicht laufen können. Wie es aussieht, ist das Verhältnis zwischen Schwiegermutter und Schwiegertochter jetzt endgültig zerrüttet.« Katja hörte den Zorn in ihrer Stimme, obwohl sie versuchte, ganz ruhig zu reden.
    »Was ist passiert?«
    »Rolfs Tod scheint sie wesentlich weniger erschüttert zu haben als die Tatsache, dass du
mich
mit der Nachricht zu ihr geschickt hast. Sie war absolut gekränkt. Und als ich sie nach ihrer Zeit in Deutschland fragte, sind endgültig alle Sicherungen bei ihr durchgebrannt. Eine Zeit in Deutschland hat es angeblich nie gegeben.«
    »Wie kann sie es wagen, das einfach abzustreiten? Zumindest Vater war mit Sicherheit in Deutschland. Oder meinst du, sie weiß tatsächlich nichts davon?«
    »Das glaube ich nicht. Ehrlich gesagt, ich habe keinen Funken Vertrauen mehr in sie. Ständig schlüpft sie in andere Rollen.«
    »Aber ich werde auf keinen Fall zulassen, dass sie Vaters Geheimnis mit ins Grab nimmt. Bist du noch vor dem Haus?«
    |214| »Auf der Straße. Ich

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