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Das Erbe des Bösen

Das Erbe des Bösen

Titel: Das Erbe des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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stehe am Auto. Du willst doch nicht etwa, dass ich noch mal zu ihr gehe?«
    »Im Moment nicht. Aber hör mal: In der Bibliothek gibt es ein Geheimfach. Ich weiß, dass meine Mutter dort Mappen und alte braune Kuverts verstaut hat, die sie sich nur ansieht, wenn sie allein ist.«
    Überrascht und auch ein bisschen beleidigt hörte Katja zu. Warum hatte Erik ihr nicht vorher schon davon erzählt?
    »Du willst mich jetzt aber nicht darum bitten, ins Haus einzudringen . . .«
    »Das hat nichts mit Eindringen zu tun. Du gehörst zur Familie. Und ich sage dir jetzt, wie du ohne Schlüssel hineinkommst.«
    »Mit anderen Worten, ich soll bei ihr einbrechen. Das ist kriminell, egal ob das der eigene Sohn oder die geliebte Schwiegertochter macht.«
    »Katja. Ich
muss
wissen, wer mein Vater und meine Mutter sind, kannst du das nicht verstehen? Stell dir vor, sie sind wirklich nicht diejenigen, für die ich sie mein Leben lang gehalten habe.« Erik machte eine kurze Pause. »Und natürlich will ich auch wissen, wer ich selber bin . . .«, fügte er leise hinzu.
    Katja stand einen Moment schweigend da und drehte sich zum Haus ihrer Schwiegermutter um. Sie konnte es kaum fassen, dass sie über Eriks Wunsch tatsächlich ernsthaft nachdachte. Aber was sollte sie in dieser Situation sonst machen?
    »Ich kann dir versichern, dass ich deiner Bitte zumindest heute Abend nicht nachkommen werde«, sagte sie.
     
    Erik saß am Savignyplatz auf einer Bank. Neben ihm lag die Tasche mit den Sachen, die sein Vater bei sich gehabt hatte: Portemonnaie, Handy und das kleine digitale Hörgerät. Die Polizei hatte ihm alles in einer Plastiktüte ausgehändigt, nachdem er die Leiche identifiziert hatte.
    Der Unfall hatte polizeiliche Ermittlungen nach sich gezogen, weil der Fahrer vom Unfallort geflüchtet war. Erik hatte zwar sofort seinen Verdacht geäußert, dass es sich keinesfalls um einen |215| Unfall handeln konnte. Er hatte ihnen noch einmal von dem bewaffneten Mann in der Wohnung seines Vaters in Helsinki erzählt, von dem Eindringling im Hotel, vom Verschwinden seines Vaters und dessen Auftauchen auf der Rückbank eines roten Audi in der Nähe des Pflegeheims, in dem die verwirrte Katharina Kleve wohnte. An dem diensthabenden Polizisten schien das alles abzuprallen, schließlich deutete nichts sonst auf ein Verbrechen hin. Dem Toten war nicht mal Geld abgenommen worden, selbst die Brieftasche und das Handy waren noch da.
    Erik spürte, wie die Wut in ihm hochkochte. Was hätte denn ein alter Mann aus Finnland mitten in der Brandenburgischen Provinz zwischen verlassenen Ruinen zu suchen gehabt? Aus Sicht der Polizei war der Mann schlichtweg schwerhörig gewesen und die Gegend eben eine beliebte Rennstrecke für junge Leute ohne Führerschein. Erik hatte sich zunächst mit der Erklärung zufriedengegeben, weil er nicht die Kraft gehabt hatte zu insistieren. Aber jetzt hatte er das Gefühl, es noch einmal versuchen zu wollen.
    Zuvor aber rief er bei Gendo an, um die traurige Nachricht vom Tod seines Vaters zu übermitteln. Er würde in nächster Zeit häufiger nicht in der Firma sein, das war unvermeidlich. Doch auf einmal war ihm seine Arbeit auch gar nicht mehr so wichtig. Der berufliche Stress war schlagartig verschwunden.
    Die Beerdigung in Helsinki würde nicht groß werden, denn sein Vater hatte kaum noch enge Angehörige. Soweit Erik wusste . . . Es gab natürlich ein paar entfernte Verwandte, aber zu denen hatte sein Vater lange keinen Kontakt mehr gehabt.
    Oder etwa doch?
    Erik versuchte sich zu erinnern, welche Verwandten sein Vater gelegentlich erwähnt hatte. Plötzlich griff er zum Telefon, rief die finnische Auskunft an und bekam kurz darauf die gewünschte Nummer.
    »Seppo Narva«, meldete sich die brüchige Stimme eines älteren Mannes.
    »Hier spricht Erik Narva, guten Tag.«
    |216| »Entschuldigung, wer?«
    »Erik Narva. Der Sohn von Rolf Narva.«
    Am anderen Ende entstand eine kurze Stille, die aber sogleich wieder gebrochen wurde. »Rolf . . . der Bruder meines Vaters hatte einen Sohn, der so hieß.«
    »Dann sind Sie ein Cousin von ihm.«
    »So muss es sein. Aber wir sind uns nie begegnet, glaube ich.«
    Erik war trotzdem ganz zuversichtlich. »Können Sie sich erinnern, ob Ihr Vater mal etwas von Rolf erzählt hat?«
    »War angeblich ein helles Köpfchen. Hat zig Jahre im Ausland gelebt.«
    »Und wo im Ausland?«
    »In Amerika. Und in Deutschland. Ich kann mich erinnern, dass mein Vater erzählt hat, der Rolf wäre als

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