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Das Erbe des Greifen

Titel: Das Erbe des Greifen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl A. DeWitt
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ist nun so weit. Das dritte Zeitalter hat begonnen.«
    Leonora nickte. Sorgsam wusch sie ihre Hände in dem Schnaps aus Knorres Flasche und legte anschließend Garrets Kopfhaut vorsichtig wieder zusammen. Dann begann sie leise vor sich hin zu murmeln … so leise, dass Argor kaum etwas verstehen konnte. Zugleich aber war es ihm, als ob sich ein Gigant im Boden regen würde, ein seltsames Grollen, das ihm sämtliche Haare zu Berge stehen ließ. Leonoras Gewand und ihr Haar bewegten sich in einem nicht spürbaren Luftstrom, und für einen langen Moment schien es Argor, als würde die zierliche Frau, die dort neben Garret kniete, von einem inneren Glanz erfüllt, der seine Sinne zu überwältigen drohte.
    »Du wolltest es aber wissen«, kommentierte Knorre trocken, nachdem sich das Grollen wieder gelegt hatte.
    »Das sagt mir gerade der Richtige!«, rief Leonora lachend. Sie strich Garret sanft übers Haar, und seine Wunden waren geheilt. Dann ging sie zu Tarlon hinüber, der sie mit nachdenklichem Blick musterte.
    »Du grübelst ständig, Tarlon«, sagte sie leise. »Und du siehst alles zu ernst.«
    »Das sehe ich anders«, versetzte Tarlon, und sie lachte. »Dreh dich auf die Seite«, wies sie ihn an und nahm ihren Dolch zur Hand. Mit einer schnellen Bewegung trennte sie den Verband auf und musterte dann seine Wunden, zwei große ausgefranste Löcher. Sie setzte Knorres Flasche an die Lippen, nahm einen tiefen Schluck, presste ihren Mund auf eine der Wunden … und spülte sie mit dem Schnaps. Tarlon zuckte zusammen, ballte seine Faust, sodass die Knöchel weiß wurden, und zog zischend den Atem ein.
    »Geht es?«, fragte Leonora.
    »Langsam wieder«, presste Tarlon hervor. »Ist das nötig?«
    »Zumindest hilft’s«, gab sie lächelnd zurück. Dann wiederholte sie die ganze Prozedur an der zweiten Wunde. Als sie fertig war, wischte sie sich das Blut von den Lippen und reichte Knorre die Flasche zurück, der diese umdrehte und mit säuerlicher Miene beobachtete, wie ein letzter Tropfen aus der Öffnung rann und zu Boden fiel.
    »Hättest du nicht etwas übrig lassen können?«, fragte er pikiert.
    Leonora sah hoch zu ihm, schüttelte missbilligend den Kopf und beugte sich dann wieder über Tarlon. »Es ist gleich vorbei«, sagte sie sanft und presste ihre Hände gegen die beiden Wundlöcher. Wieder murmelte sie etwas, und wieder ertönte das seltsame Grollen.
    Als sie ihre Hände von den Wunden nahm, waren dort nur noch weiße Narben zu sehen.
    »Das nenne ich mal eine Heilung!«, sagte Argor staunend.
    »Ich habe Kopfschmerzen!«, meldete sich nun auch Garret zu Wort. Er rieb sich den Schädel und sah die anderen verwundert an.
    »Willst du dich beschweren?«, fragte Leonora lächelnd.
    »Nein. Mich bei Euch bedanken.«
    »Dankt nicht mir, dankt Mistral«, gab Leonora zurück.
    »Das werde ich tun, sobald ich Vanessa wieder in meinen Armen halte«, versicherte Garret. Er stand leichtfüßig auf, griff seinen Bogen und sah hinüber zu der offenen Tür auf der anderen Seite der Brücke, dann zu Tarlon, der sich langsam aufrichtete.
    »Können wir jetzt? Wir haben schon genug getrödelt!« Argor rollte die Augen, Sina kicherte, und selbst Knorre musste lachen.
    »Schön, dass es dir wieder besser geht«, teilte Leonora Garret huldvoll mit, aber auch sie schmunzelte.
     
    »Gibt es überhaupt etwas, von dem Garret sich beeindrucken lässt?«, fragte Sina mit einem leicht gequälten Lächeln, als sie gemeinsam mit Argor die Brücke passierte. Der Zwerg schien gar nicht zu bemerken, dass er ihr die Hand, die sie ihm hilfsbereit gereicht hatte, fast zerquetschte. Mit Schweißperlen auf der Stirn blickte er panisch geradeaus.
    »Nein«, antwortete er gepresst. »Nicht dass ich wüsste!«
    »Argor!«, rief Garret von vorne. »Nicht stehen bleiben!«
    »Der hat leicht reden«, beschwerte sich der Zwerg. »Er ist ja schon drüben.«
    »Du kannst hier gar nicht ertrinken«, versuchte Sina ihn zu beruhigen.
    »Wir sind so hoch über dem Wasser, und da unten stecken eiserne Pfähle. Die sind rostig und spitz. Wenn ich da hineinfalle …«
    »Du fällst nicht«, sagte Sina beschwichtigend und zog ihn sanft mit sich. »Vertraue mir einfach!«
    Offenbar gelang ihm das, denn nun setzte er Schritt vor Schritt, bis sie beide wohlbehalten auf der anderen Seite ankamen.
    Der Gang, den sie dort als Letzte betraten, war nicht besonders lang. Kaum mehr als zehn Schritt weit führte er durch die massive Mauer hindurch und endete direkt vor

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