Das Erbe des Greifen
Kopf.
»So etwas braucht mehr Vorbereitung«, erklärte sie.
»Also müssen wir ohne Magie auskommen«, stellte Garret fest. »Woran kann es liegen, dass wir niemanden sehen? Entweder ist der Gegner unsichtbar, oder es ist gar keiner da. Wenn wir so tun, als halte sich jemand versteckt, können wir also nichts falsch machen. Nun gut.« Er winkte Argor herbei. »Gib mir Rückendeckung … wenn sich jemand zeigt, dann erledige ihn.«
»In Ordnung«, sagte Argor und legte seine Armbrust an.
»Als Erstes der Priester!«, sagte Garret. Er trat entschlossen um die Ecke, spannte seinen Bogen und schoss den Pfeil fast senkrecht in die Luft, dann zog er sich genauso schnell wieder in die Deckung des Stalls zurück.
Zuerst schien es, als hätte der Schuss keine Wirkung gehabt, doch mit einem Mal versiegte der Kampflärm vor dem Tor.
»Hab ihn wohl erwischt«, meinte Garret zufrieden.
»Nur wie?«, fragte Argor. »Ich hab den Kerl nicht einmal gesehen!«
»Das ist das Praktische an einem Bogen«, sagte Garret grinsend. »Man kann damit auch blind schießen. Siehst du eigentlich irgendwo einen der Unsichtbaren?«
»Nein«, knurrte Argor. »Wie sollte ich auch? … Oh, verdammt!«
»Was ist …«, begann Garret.
»Mist!«, zischte Knorre.
Unsichtbar war er wohl nicht gewesen, womöglich hatte er den Eingang des Zeughauses bewacht, der für sie nicht einsehbar war. Auf jeden Fall stand plötzlich ein königlicher Soldat am Anfang der Gasse zwischen Zeughaus und Stall und glotzte sie an. Er trug sein blankgezogenes Schwert in der Hand, hatte es aber nicht erhoben. Er wirkte mindestens genauso verdutzt wie die Freunde, womöglich hatte er irgendetwas gehört und war gekommen, um nachzusehen. Offensichtlich hatte er nicht damit gerechnet, jemanden zu finden.
Argor hob die Armbrust, drückte ab und traf den Mann an der Stelle zwischen Lendenschutz und Brustpanzer.
Garret stieß ihm den Pfeil, den er gerade hatte auflegen wollen, durchs Auge in den Kopf.
Aus Sinas Hand schoss ein fahler Blitz hervor, der den armen Kerl in tausend knisternde Funken hüllte.
Und Tarlon hob die Axt, ließ sie aber mit einem Seufzer wieder sinken und trat nach vorne, um den sterbenden Soldaten mit einer Hand aufzufangen und ihn nach hinten in die Gasse zu ziehen.
»Das war etwas übertrieben«, meinte er trocken, während er dem Mann den Mund zuhielt, bis er sich nicht mehr regte und sein Körper erschlaffte.
»Tut mir leid«, entschuldigte sich Argor, während er einen neuen Bolzen auflegte. »Er hat mich erschreckt!«
»Ist er einer von den vieren, die du am Eingang zur Halle gesehen hast?«, fragte Tarlon, als er das Zeichen der Göttin über dem Toten ausführte. Er griff seine Axt und ging wieder nach vorne zu Garret, der soeben einen neuen Pfeil aus seinem Köcher auswählte. Die drei, die er noch in Reserve hatte, nahm er zusammen mit dem Bogen in die linke Hand, den neuen legte er auf.
Garret blickte zu Argor hinüber, der ihm kurz zunickte. Dann trat er hinaus auf den Hof und sah zum Eingang hinüber, wo nur drei der vier Soldaten standen. Er pfiff laut, und die Männer am Eingang sahen sich um, er pfiff erneut, und der vierte Soldat trat hinzu, während die anderen drei losrannten. Der erste Pfeil traf den Mann im Eingang, die anderen Geschosse folgten so rasch, dass man es kaum mitbekam.
»Dort oben!«, rief Argor. Er hob die Armbrust und drückte ab. Doch der Priester, der plötzlich ihnen gegenüber auf den Burgzinnen aufgetaucht war, hob abwehrend die Hand, und Argors Bolzen verfehlte ihn um Längen. Der Zwerg sah fassungslos auf seine Armbrust hinab. »Das gibt es nicht!«, protestierte er. »Ich hatte ihn genau im Visier!«
Garret sparte sich eine Bemerkung und holte den nächsten Pfeil aus dem Köcher hervor. Er zog den Bogen aus und schoss … doch auch sein Pfeil verfehlte den Priester. Der hob nun beide Hände, worauf sich Dunkelheit um ihn zu sammeln schien.
Garret ließ indes den Bogen sinken und runzelte die Stirn.
»Du hast auch vorbeigeschossen?«, fragte Argor verwirrt. Dann blickte er zum Priester, um dessen Gestalt sich das Dunkel immer mehr zusammenzog.
»Wir sollten von hier verschwinden!«, rief er und zupfte Garret am Arm.
»Finger weg!«, zischte der und legte seinen nächsten Pfeil auf. Er schoss, und wieder flog der Pfeil zunächst wie an der Schnur gezogen auf den Priester zu, um dann erneut nach links abzudriften. Diesmal jedoch beschrieb das Geschoss einen Bogen und traf den Priester in die
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