Das Erbe des Greifen
entdecken ist.«
Garret tat einen Schritt, dann schwankte er und stützte sich noch an der alten Eisentür, die zum Garten führte, ab, bevor er an ihr zu Boden rutschte. Dort blieb er sitzen und sah kreidebleich und schweißgebadet zu den anderen hoch.
»Oh …«, machte er leise und kippte dann zur Seite.
Knorre kniete sich schwerfällig neben ihn und berührte ihn leicht am Hals.
»Leonora, komm schnell!«, rief er dann mit gedämpfter Stimme zur anderen Seite hinüber, doch die Sera war bereits auf dem Weg zurück. Sie eilte zu Garret und legte ihm eine Hand auf die Stirn, dann schüttelte sie einen Dolch aus ihrem Ärmel und schnitt den blutigen Verband von seinem Kopf.
Argor zog scharf die Luft ein, als sich mit dem Verband ein Stück von Garrets Kopfhaut löste und der Knochen darunter zum Vorschein kam. Sofort begann das Blut in Strömen zu fließen.
»Tretet weg von ihm!«, rief Leonora. »Euer Atem enthält giftige Geister, die ihm die Wunde schwären lassen könnten!«
Erschrocken wichen sie zurück und machten der Sera Platz. »Wird er sterben?«, fragte Argor angstvoll.
»Nicht, wenn Ihr mich nun arbeiten lasst!«, versetzte Leonora knapp. »Knorre!«, rief sie. »Ich hoffe, du hast heute nicht zum ersten Mal in deinem Leben keinen Schnaps dabei!« Sie streckte die Hand aus. »Her damit!«
Garret öffnete die Augen, schielte zu ihr hoch und verzog das Gesicht zu einem halben Grinsen. »Seid Ihr beide etwa verheiratet?«, fragte er. Leonore erstarrte mitten in der Bewegung und sah ihn ungläubig an, Sina kicherte nur, und Knorre verschluckte sich derart heftig, dass er husten musste. Doch im nächsten Moment verdrehte Garret die Augen, und sein Körper erschlaffte.
Leonore nahm die silberne Flasche, die Knorre ihr hinhielt, sah auf den Ohnmächtigen hinab und schüttelte den Kopf.
»Ich glaube, er ist einer dieser Menschen, deren Mundwerk man gesondert begraben muss!« Sie schraubte die Flasche auf, goss etwas von dem Schnaps über Garrets Schädel und wusch damit das Blut ab. Danach hob sie vorsichtig die Kopfhaut an. Eine tiefe Kerbe und Risse in der Schädeldecke wurden sichtbar.
»Das sieht ja übel aus«, stieß Knorre besorgt hervor, und in seinem Rücken gab Tarlon einen Seufzer von sich, um dann ohnmächtig hintüberzukippen.
»In der Tat«, sagte Leonora, ohne sich um Tarlon zu kümmern, und berührte nahe der Kerbe vorsichtig Garrets Schädeldecke, die unter dem Druck ihres Fingers unmerklich nachgab. »Es ist eine Gnade der Göttin, dass er überhaupt noch lebt. Wir müssen ihn von hier fort …«
»Nein«, widersprach Knorre. »Du musst ihn heilen, sofort. Wir brauchen ihn.« Er sah zu Tarlon hinüber. »Und ihn auch. Er blutet wie ein Schwein, und seine Wunde wurde nicht gereinigt.«
Leonora zögerte.
»Sera, wenn Ihr meine Freunde heilen könnt, dann tut es!«, bat Argor eindringlich, während er sich neben Tarlon niederkniete, der langsam wieder zu Bewusstsein kam.
»Du verstehst nicht«, erwiderte Leonora leise. »Es ist mir verboten!«
»Von wem?«, wollte Argor wissen.
»Von der Göttin selbst.«
»Aber Ihr seid Ihre Priesterin!«, rief Argor verständnislos. »Ihr predigt Ihr Wort!«
»Sie predigt, das ist richtig«, bestätigte Knorre und stützte sich schwer auf seinen Stab. »Aber sie darf nicht für jemanden aus dem Greifenland um Heilung bitten. Genau deshalb hat sie sich vor langer Zeit mit ihrer Göttin überwürfen!«
»Ich liebe Mistral«, flüsterte Leonora. »Auch wenn Sie es nicht glauben mag. Doch dass Sie dem Greif Ihre Liebe entzog, nachdem Sie ihn so hart bestraft hatte … das habe ich nie einsehen können. Ich verstehe immer noch nicht, wie Sie so ungerecht sein konnte!«
»Sie hat uns vergeben, Leonora«, sagte Knorre eindringlich. »Sie hat Elyra zu Ihrer Priesterin gemacht, ich habe es dir doch erzählt!«
»Du meinst die Halbelfin, die immer zu spät zum Unterricht kam?«, meinte Leonora lächelnd, doch Knorre sah sie nur fragend an.
»Ja, genau die«, meldete sich Tarlon mit leiser Stimme zu Wort. Er lag noch immer neben Argor auf dem Rücken. »Sie trägt jetzt die Robe der Hohepriesterin und ist ohne Zweifel von der Gnade der Göttin erfüllt.« Er richtete sich auf einen Ellenbogen auf. »Sie wartet noch auf eine Erklärung von Euch, wie man mit Flöhen fertigwird.«
»Die kann sie gerne bekommen!«, rief die Sera lachend. Dann wurde sie wieder ernst und sah auf Garret hinab.
»Hab keine Bedenken, Leonora«, sagte Knorre sanft. »Es
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