Das Erbe des Greifen
holen!«
»Wenn Belior so verhasst ist, warum ist er dann noch immer Kanzler? Warum begehrt niemand gegen ihn auf?«
»Der Mann hat mehrere Königreiche erobert und Dutzende von Attentaten überstanden. Er genießt den Schutz der Priester des Darkoth, und die Kronoks sind ihm treu ergeben.« Korporal Delos zuckte mit den Schultern. »Es gibt niemanden mehr, der sich gegen ihn erhebt. Vielleicht noch die Elfen, aber die sind dafür bekannt, dass sie immer viel zu lange zögern und erst handeln, wenn es schon zu spät ist! Zudem erkauft sich Belior die Gunst der Massen. Er hat für alle die Steuern gesenkt, eine einheitliche Währung in allen Reichen eingeführt und unterstützt den Handel allein schon dadurch, dass es keine Zölle mehr gibt. Er lässt Straßen bauen, an manchen Orten sogar neue Dörfer und Städte. Es gibt für jeden Arbeit, und er verspricht nunmehr dauerhaften Frieden. Nach all den Kriegen sind die Leute des Kämpfens müde.« Der Korporal lachte bitter auf. »Was ja nun wahrlich kein Wunder ist, nachdem so viele zuvor ihr Leben gelassen haben! Allein in dem Dorf, in dem ich aufwuchs, gab es zum Schluss nur noch einen Tischler, und der war alt und grau. Seine drei Gesellen sind natürlich in Beliors Armee eingezogen worden und nicht mehr zurückgekehrt. Jetzt aber macht der Kanzler den Leuten Hoffnung, dass alles besser wird. Das ist es, was die Leute hören wollen. Keine Kriege mehr, alles wird besser! Mehr braucht es nicht. Also jubeln ihm die Leute zu und vergessen, was zuvor war. Niemand kann dem Kanzler unterstellen, dass er nicht weiß, wie er es machen muss.«
»Niemand ist unbesiegbar«, meinte Astrak und hoffte, das er damit auch Recht behalten würde.
»Doch, Belior ist es. Oder scheint es zumindest zu sein«, entgegnete der Korporal resigniert.
»Warum habt ihr euch dann trotzdem dazu entschieden, euch uns anzuschließen?«
»Meint Ihr nun mich persönlich, oder die kümmerlichen Reste der »eisernen Drei«?«
»Euch und die anderen.«
Delos musste unwillkürlich grinsen. »Wollt Ihr eine ehrliche Antwort, mein Freund?«
»Nichts anderes.«
»Nun gut. Das ist ziemlich einfach. Solange wir unseren Schwur, allein dem Prinzen zu dienen, nicht brechen, sind wir dem Kanzler ein Dorn im Auge. Er will uns tot sehen. Das ist jedem von uns bewusst. Uns euch anzuschließen ist daher die einzige Chance, ihm noch einmal auf die Füße treten zu können, bevor er uns alle zermalmt. Und es ist leichter, für eine gute Sache zu sterben als für eine schlechte.« Er lachte leise und schüttelte den Kopf. »Es gibt aber auch noch einen anderen Grund.«
»Welchen?«, fragte Astrak sofort.
»Wir sind … wir waren die besten Soldaten des Königreichs. Ihr habt uns bei dem Gefecht in eurem Dorf derart vorgeführt, dass kaum jemand davon unbeeindruckt geblieben ist. Diese verfluchte Stadt hier …« Der Korporal führte eine Geste aus, die den Tempelvorplatz und den Rest von Alt Lytar mit einschloss, »hat uns aufgerieben. Dann kommt ihr, ein kleines Häufchen Bauern … und beseitigt die Verderbnis mit der gleichen Schnelligkeit, mit der ihr unsere Truppen dezimiert habt. All das hätte niemand von uns für möglich gehalten. Es war undenkbar. Nun ist es auch undenkbar, dass jemand gegen Belior bestehen kann … Und vielleicht …«
»Vielleicht ist es deshalb ja auch möglich, Belior trotzdem zu besiegen, meint Ihr?«, führte Astrak den Satz des Korporals zu Ende.
Der nickte. »Genau das. Wollen wir hoffen, dass es so kommt.«
»So sei es!«, schloss Astrak und sah zur anderen Seite hinüber, wo sich etwas zu tun schien. Einer der Männer rief ihnen von drüben zu, dass die Bohlen und Balken nun fest verankert wären. Korporal Delos nickte zufrieden und blickte erneut in Elyras Richtung.
»Ihr könnt ihr mitteilen, dass wir fertig sind. Die Brücke wird halten.«
»Danke«, sagte Astrak artig. »Ich verstehe nicht viel von solchen Konstruktionen, aber diese sieht sehr stabil aus. Eure Leute waren mit viel Eifer bei der Arbeit.«
»Wundert Ihr Euch darüber?«, lachte Korporal Delos. »Es hat seinen eigenen Lohn, wenn man etwas erschafft und nicht zerstört!«
Wenig später ging ihnen Elyra schweigend voran, Astrak folgte ihr dicht auf den Fersen, und danach überquerten Delos’ Männer die Brücke, ihre Schilde erhoben und die Waffen bereit.
Aus der Ferne betrachtet, hatten die Gebäude am Tempelplatz weitgehend unversehrt gewirkt, aber jetzt, wo Astrak sie aus der Nähe in Augenschein
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