Das Erbe des Loewen
seinen Freund so sprechen zu hören. Obwohl Kieran versucht hatte, aus sich einen Mann zu machen, der nur dafür lebte, Krieg zu führen und Rache zu üben, wollte er doch all jene Dinge, denen er auswich. Eine Frau. Ein Zuhause. Eine Familie. Er war bloß zu sehr von seinem Hass erfüllt, dass er sich dessen nicht bewusst war. Gebe Gott, dass er zur Besinnung kam, ehe es zu spät war. Rhys entschloss sich, dem Allmächtigen dabei zur Hand zu gehen. „Wenn Lady Laurel die Erbin eines Teils von Edin Valley ist, wird ihr Gemahl einen wertvollen Besitz für sich gewinnen.“
„Was kümmert mich dieses unbedeutende Land?“
„Ich habe an mich selbst gedacht.“ Rhys sah den Freund von der Seite her an und bemerkte die Farbe, die seine Wangen rötete, und die Missbilligung, die ihn die Lippen zusammenpressen ließ. Man musste blind sein, um nicht zu sehen, welche Gefühle zwischen Laurel und Kieran bestanden.
„Sie kann sehr jähzornig werden.“ Kieran griff nach dem Gürtel mit dem Schwert, der auf einer Truhe am Fußende des Bettes lag. „Doch sie wird dafür bezahlen.“
„Kieran. Was hast du vor?“ fragte Rhys, doch Kieran hatte das Gemach bereits verlassen. Rhys zog seine Tunika über und eilte hinter ihm her.
„Bleib im Bett, und heile deine Wunden“, sagte Kieran, als sie die enge Wendeltreppe hinabstiegen. „Das ist ein Befehl.“ „Wenn dem so ist, dann hast du einen Grund mehr, mich wieder auszupeitschen, denn mein Platz ist an deiner Seite.“ Kieran blieb stehen und wandte sich zu ihm um. Sein Gesicht wirkte streng im fahlen Licht, das durch die Pfeilschächte drang. „Ich bedaure, dass es nötig war ...“
„Ich ebenso.“ Rhys lächelte. Kieran hatte die Streiche so geführt, dass sie kaum seine Haut aufgerissen hatten. „Ich rechne damit, den Rest der Strafe noch zu erhalten ... wenn es uns gelingt, meine Beschützerin zu umgehen.“
„Jemand sollte dieses Weib lehren, dass sie sich nicht in Männerangelegenheiten mischt“, sagte Kieran.
„Es scheint, ich war es, die dir eine Lehre erteilte“, rief das weibliche Wesen, von dem die Rede war, vom unteren Absatz der Treppe. Ihre sanfte Stimme war mit Spott erfüllt, als sie im Treppenaufgang widerhallte.
Kieran wirbelte herum und lief Laurel entgegen. Er blieb eine Stufe über ihr stehen, so dass er sie überragte. Seine Züge waren zu einer Maske erstarrt, die selbst kampferprobte Krieger hätte erzittern lassen. Sie schnappte nach Luft, die weit geöffneten Augen angsterfüllt, indes, sie wich nicht zurück. Das machte ihn noch wütender. „Hast du nicht einmal so viel Verstand, vor jemandem wie mir die Flucht zu ergreifen?“
„Ich habe den Anblick eines viel schlimmeren Mannes ertragen und überlebt.“
Wen? wollte er fragen. Welcher Mann hatte die Schatten verursacht, die ihren klaren Blick umwölkten? Ungewollt überkam ihn eine Welle von Fürsorge, der Drang, diese kleine, tapfere Frau vor jedem Leid zu beschützen.
Als ob sie sein Mitleid spürte, hob sie das Kinn. „Nun, reiten wir aus, oder stehen wir herum und tauschen Beleidigungen aus?“
Kieran wunderte sich, welch seltsame Magie sie ausübte, die ihn veranlasste, sich wie der reinste Narr zu verhalten, wann immer sie in der Nähe war. „Wir reiten zum Pass. Die Verteidigung entlang des Flusses ist befestigt, scheint jedoch unzulänglich. Ich werde sie verstärken, ehe ich die anderen Teile von Edin Valley aufrüste“, sagte er wie der Herr zum Knecht.
„Unzulänglich“, erwiderte sie entrüstet, als er sich an ihr vorbeischob. „Du solltest wissen ...“
Doch Kieran blieb nicht stehen, um den Rest anzuhören. Er war zu sehr damit beschäftigt, dem lieblichen Duft, der von ihr ausging, zu entkommen. Warum hatte er niemals zuvor bemerkt, dass Heidekraut solch verführerischen Wohlgeruch hatte?
Es war so still, dass Henry Percy sein Herz schlagen hörte, während er auf die Berge blickte, die Edin Valley vor der übrigen Welt verbargen. Hinter ihm lagen die welligen Hänge der Lowther Hills und ein dichter Wald, der seine Bande von Briganten fremden Blicken entzog. Sie waren sorgfältig ausgewählt und der erste Schritt in Henrys groß angelegtem Plan. Vor ihm lag eine grasbewachsene Ebene, die an den Tweedfluss grenzte, und über dem Wasser waren jene Felsen, die den Eingang zum Tal tarnten. Das war nicht der erste Beutezug des Engländers hinter der Grenze, denn die Percys waren eine herumziehende Familie, und er hatte in den dreißig Jahren, die er
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