Das Erbe des Loewen
alte Robert die Clans versammelt hatte, würde Henry bereits auf dem Thron sitzen.
Doch er musste in das Tal gelangen, ohne Aufmerksamkeit zu erregen. „Vielleicht hätte ich Duncan Geld anbieten sollen für das Recht, sein Land zu durchqueren.“
„Er hätte dem nicht zugestimmt.“ Der Spion warf Henry einen verschlagenen Blick zu. Eher würde er sterben, als einem
Engländer zu helfen, sein Land zu erobern.
„Halb-Engländer.“ Henrys Mutter war eine Percy, die der alte Schottenkönig verführt hatte. Jahrelang hatte Percy unter dem Makel seiner Geburt gelitten, und der Stachel saß tief, weder zu der einen noch zu der anderen Seite zu gehören. Nun hatte er einen Weg gefunden, sein schottisches Blut zu seinem Vorteil zu nutzen. „Du teilst nicht die Loyalität Duncans?“
Das Lächeln des Schotten war so finster und bedrohlich, wie die rauen Berge es waren. „Alles, was ich will, ist die Herrschaft über Edin Valley und freie Hand, mit seinen Einwohnern zu tun, was mir beliebt.“
Mitleid für die MacLellans regte sich in Henrys Brust. Doch er unterdrückte es. Eroberer konnten sich kein Gewissen leisten. „Was schlägst du also vor?“
„Ich schleiche mich über den Fluss, verberge mich zwischen den Bäumen und sehe zu, dass ich etwas über die Stärke der Wache herausfinde.“
„Ich komme mit dir.“ Er wollte den Schotten nicht aus den Augen verlieren, bis der Feldzug vorbei war.
4. KAPITEL
Als sich der Spähtrupp dem Pass näherte, verdunkelten dichte Wolken die Sonne. Die Gefahr von Regen schien indes klein, verglichen mit dem Sturm, der sich unter den Clansleuten der MacLellans zusammenbraute. Es ist alles Kierans Schuld, dachte Laurel, denn er hatte nur getadelt.
„Es ist ein Fehler, sich ausschließlich auf Edins natürliche Verteidigungsanlagen zu verlassen“, hatte er gesagt. „Es genügt nicht, den Eingang zum Pass zu bewachen. Man kann euch belagern, euch durch Raubzüge schwächen. Auch wenn ihr bisher nur wenige Männer verloren habt, so haben euch die Wegelagerer den Schlaf geraubt und eure Entschlossenheit ins Wanken gebracht. Müde, angstvolle Männer machen Fehler. Die Räuber müssen bloß warten, um euch nach Belieben aus-zuplündem.“
Widerwillig hatte Laurel zugegeben, dass er Recht hatte. Doch seine Art hatte alle verärgert, so dass selbst der sonst so zugängliche Ellis zurückblieb, bis sie schließlich allein neben dem mürrischen Söldner ritt. Kieran hatte keinen Anstand, er kümmerte sich nicht um die Gefühle anderer. Sie fragte sich, warum er sich so benahm, und betrachtete ihn von der Seite. Er hatte den Helm abgenommen, um das Gelände besser zu überblicken. Seine stattliche Gestalt wirkte grob und unnachgiebig wie die Berge, die sie umgaben. Was hatte ihn so grausam gemacht?
Unter seiner rauen Schale hatte sie undeutlich einen anderen Mann wahrgenommen. Einen Mann, der Peitschenhiebe austeilte, die ihn indes mehr schmerzten als sein Opfer. Einen Mann, der Collie mit einem Streich zermalmen konnte, doch der nicht die Hand gegen ein Kind erhob.
Als Collie das Gemach mit dem Arzneikästchen betreten hatte, hatte er sich sofort an Kieran gewandt und ihm verkündet, dass er seinen Großvater um ein Schwert bitten wolle.
Ruhig hatte Kieran ihm geantwortet, dass er selbst im Alter von sieben Jahren nur ein hölzernes Schwert besessen habe, und er hatte Collie vorgeschlagen, auch nur um ein solches zu bitten.
„Ich möchte ein richtiges Schwert. Ich möchte töten, so wie du.“
Kieran hatte den Kopf geschüttelt. „Kein Mann hat Freude am Töten, doch wenn dein Großvater damit einverstanden ist, so will ich dir beibringen, ein Holzschwert zu führen.“
Collie hatte mit einem Seufzer zugestimmt und war zu Duncan gegangen, doch Laurel hatte Kieran betrachtet. Widerstrebte ihm das Töten? Warum führte er dann das Leben eines Söldners? Was für ein Mann war er? Trotz ihrer schrecklichen Ehe und Kierans schroffem Verhalten hatte sie den Wunsch, dies herauszufinden.
Nein, sie tat das nicht für sich selbst, sondern für ihre Familie. Die MacLellans brauchten Kieran, wenn sie überleben wollten, und wie die Sache stand, würden ihre Leute ihm nicht bereitwillig folgen. „Es würde Ellis’ Stolz gut tun, wenn du Vorschläge machtest, anstatt zu fordern oder zu bemängeln“, sagte sie vorsichtig.
Er schnaufte verächtlich. „Ich bin hier, um seine Haut zu retten, nicht seinen Stolz.“
„Schön gesagt. Bist du ein Dichter?“
„Nein. Ich bin ein
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