Das Erbe des Loewen
im Dunkel der Nacht hier draußen?“ wollte sie wissen.
Er zog die Stirne kraus und warf sich in die Brust. „Ich bin auf Wachposten.“ Armer Geordie! Nur ein paar Zoll größer als sie selbst, hatte er ein jugendliches Gesicht mit Sommersprossen, die er versuchte, unter einem spärlichen roten Bart zu verbergen.
„Warum bewachst du den Innenhof?“
„Sir Kieran sagte, das sei nötig, da die dürftige Mauer keinen Schutz biete. Sie könnte nicht einmal ein Kind abweh-ren.“
„Der Mann findet Fehler sehr schnell.“
Geordie steckte das Schwert zurück in die Scheide. „Sag nicht, dass nicht auch du von ihm eingenommen bist. Die Mädchen sind in heller Aufregung, seit er gekommen ist.“
Ein Schmerz durchbohrte sie. Eifersucht konnte es nicht sein. „Zweifellos genießt er es. Ein Mann wie er zieht Mädchen an wie ... “
„Nichts dergleichen. Er verbringt all seine Zeit mit seinen Männern.“
Laurel nickte, ihre Gedanken kehrten zurück zu dem Heer. Wenn sie Kieran davon erzählte, würde er ihr nicht glauben. Oder noch schlimmer, er könnte sie auslachen, wenn ihr die Geschichte mit ihren Visionen entschlüpfen sollte. Sie wartete wohl besser auf Ellis. „Ich wünsche dir eine gute Nacht, Geordie.“ Laurel setzte ihren Weg zu den Stallungen fort.
„Willst du noch ausreiten?“ fragte er und hielt mit ihr Schritt.
„In meinem Nachtgewand?“
„Nun.“ Er räusperte sich. „Es ist nur, weil er sagte, du dürftest nicht alleine ausreiten. “
„Er tat was? Dieser ... dieser eingebildete, anmaßende ... Er hat gewiss gedroht, dich auszupeitschen, wenn du dem Befehl nicht folgst.“
„Nein. Er sagte, wenn dir etwas zustoßen sollte, würde er dem Mann, der dich alleine ausreiten ließ, bei lebendigem Leibe die Haut abziehen.“
Laurel seufzte. Offensichtlich war Gewalt das einzige Mittel, das Kieran kannte. Ihre Leute hätten auch so seine Befehle befolgt, schon um sie in Sicherheit zu wissen. „Ich mache noch einen Besuch bei Freda. Danach, das verspreche ich, werde ich sofort ins Bett gehen.“ Geordie war damit zufrieden und machte weiter seine Runden.
Morgen werde ich ein weiteres Gespräch mit Kieran führen, was seine erbärmliche Taktik betrifft, dachte sie, als sie in den Stall schlüpfte. Auch hier entzündete man üblicherweise keine Fackel, aus Angst, sie könnte ein Feuer entfachen. Doch man hatte von der Halle einen festen eisernen Kerzenhalter hergebracht. Darin stak eine einzelne Kerze, die so dick wie ihr Unterarm war.
„Wie unvorsichtig ...“ Laurel eilte den Gang zwischen den Pferdeständen entlang, stellte sich auf die Zehenspitzen, um ...
„Lass das“, befahl eine nur allzu bekannte Stimme.
Sie drehte sich um und stand Angesicht zu Angesicht dem Mann gegenüber, den sie gehofft hatte, nicht so bald wieder zu sehen. „Kieran.“
„Was tust du hier?“
„Ich konnte nicht schlafen, und ..." Halt. Warum geriet sie ins Stocken wie ein Mädchen, das man dabei erwischte, wie es Zuckerwerk stibitzte? „Ich schulde dir keine Erklärung ...“
„Man hätte dich an diesem Nachmittag beinahe getötet.“ Er ergriff sie an den Schultern und schob sie in den Lichtschein. Sein Blick fiel sofort auf den Verband aus Leinen, den sie um den Hals trug. „Du wirst niemals mehr meine Befehle missachten!“ schrie er.
Ehe Laurel eine Antwort suchen konnte, erklang ein tiefes Knurren aus dem Schatten im Hintergrund. Freda! Laurel entwandte sich Kierans Griff und lief davon. „Ruhig, Mädchen“, beruhigte sie das Tier, vorsichtig darauf bedacht, zwischen Kieran und dem Hund zu bleiben, der auf sie zugekrochen kam, die Ohren zurückgelegt und die Zähne gefletscht. Selbst wenn sie Kierans Art und Weise nicht schätzte, so hatte sie kein Verlangen, ihn mit durchgebissener Kehle zu sehen wie Aulay.
„Wir haben uns auf einen Frieden geeinigt, als ich am Abend Rath absattelte“, sagte Kieran und versuchte, an Laurel vorbeizukommen.
„Nur weil du mich nicht bedroht hast.“ Laurel bewegte sich mit ihm, die Arme gespreizt, um ihn zurückzuhalten. „Freda ...“
„Unsinn, ich kann mit Tieren umgehen.“ Er legte eine Hand auf Laurels Schulter. Freda knurrte, die Muskeln unter ihrem gepflegten Fell spannten sich.
„Bleib ruhig, Kieran. Freda hat wenig Geduld mit Männern, die ihre Herrin bedrohen. Es ist schon gut, Freda. Er ... er ist ein ... ein Freund.“ Die Worte blieben ihr beinahe in der Kehle stecken. Sie war sich nicht sicher, was sie für Kieran empfand. „Du
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