Das Erbe des Loewen
so machtlos, so verzweifelt hilflos gefühlt wie in diesem Augenblick. Er durfte es nicht zulassen, dass diese Banditen Laurel mit sich nahmen. „Wenn ihr Lösegeld wollt, so nehmt mein Pferd. Sein Geschirr alleine ist so viel wert wie das Lösegeld für einen König.“
Der Bandit hielt inne und hob das Visier seines Helmes, um Rath zu begutachten. Ein abscheulich vernarbtes Gesicht kam zum Vorschein. Bei Gott, dieser Mann sah aus, als wäre er der Hölle selbst entstiegen.
Laurel war nahe daran, in der Umklammerung dieses Teufels in Ohnmacht zu fallen. Kieran blickte sie an, bemüht, ihr so viel Trost zu zeigen wie nur möglich. Ohnmacht, ha! Die kleine Hexe hob das Knie und stieß es ihrem Entführer in die empfindliche Stelle zwischen seinen Schenkeln. Der Mann schrie auf, ließ ihren Arm los und beugte sich vornüber.
Laurel und Kieran liefen sich entgegen. Eine Ewigkeit schien zu vergehen, bis sie einander trafen.
„O Kieran.“
Laurel umschlang ihn, keuchend und bebend. Sie fühlte sich so zart an, so verwundbar. Das weckte in ihm das Verlangen, sie zu behüten und zu beschützen.
„Still. Alles ist gut“, sagte er, die Stimme heiser vor Angst, Erleichterung und einem Gefühl, das er nicht herauszufinden wagte. „Hinter mich, während ich mit diesen beiden abrechne.“
Da erschienen Ellis und die anderen auf der Lichtung. Der Anführer schwenkte sein Pferd herum und gab Fersengeld. Doch Kierans Freude währte nur kurz, denn der zusammengekauerte Bandit sprang vom Waldboden hoch. Gebückt, das Schwert zum Stoß bereit, traf er Ellis’ Pferd mitten in die Brust. Das Tier wieherte, bäumte sich auf und warf seinen Reiter ab, der in den nachfolgenden Trupp stürzte.
Alles geriet in ein heilloses Durcheinander. Die Männer brüllten und zerrten an den Zügeln, um Ellis davor zu bewahren, niedergetrampelt zu werden. Durch den Geruch von Blut brach unter den Tieren Entsetzen aus. In dem darauf folgenden Chaos sah Kieran, wie der entstellte Schurke zu seinem Pferd humpelte. Er warf sich in den Sattel, gab seinem Hengst die Sporen und verschwand zwischen den Bäumen, hinter seinem Spießgesellen her.
„Verdammt, sie dürfen uns nicht entwischen. Martin, folge ihnen. Ich komme dir nach“, schrie Kieran, der sich von Laurel löste.
„Nein!“ Sie ergriff seinen Arm und rief: „Nein, du darfst ihnen nicht folgen. Sie sagten, dass sie Verstärkung in den Hügeln haben.“
„Was?“ Kierans Blick schweifte von ihrem angstverzerrten Gesicht zu seinen Männern, die gerade im Unterholz verschwanden.
„Sie laufen in eine Falle, geraten in einen Hinterhalt wie mein Großvater.“
„Nein.“ Kieran stieß einen schrillen, lang gezogenen Pfiff aus, ein zweiter eindringlicher Pfiff folgte. Einen Augenblick später wurde in derselben Art geantwortet, und er nickte zufrieden. „Sie werden wenig darüber erfreut sein, die Jagd abzublasen, doch von diesem Befehl wissen sie, dass es besser ist, ihn zu befolgen, als ihn zu missachten. “
„Dafür kann man Gott danken.“
„Ja.“ Er schob sie von sich. „Warum hast du die Felsen verlassen? War es wegen der verdammten Kräuter?“
„Nein. Ich ... ich dachte ...“
„Das Einzige, woran du zu denken hast, sind meine Befehle. Ein wertvolles Pferd ist schwer verwundet, weil du eine Hand voll Kräuter haben wolltest, und du ... du hättest getötet werden können.“
„Was kümmert es dich?“ fragte Laurel. Trotz seiner Wut und des Geschreis spürte sie jedoch, dass er Angst hatte ... um sie.
„Ich bin verantwortlich für dich.“ Doch Kieran wusste, seine Sorge um sie ging weit über sein Pflichtgefühl hinaus. Wie kam es, dass sie seinen Verteidigungswall so schnell durchbrochen hatte und dass sie ihn dazu brachte, sich nach etwas zu sehnen, was niemals sein konnte? Als er sich abwandte und den Befehl zur Umkehr gab, schwor er, sich von Lady Laurel so lange fern zu halten, bis sein Aufenthalt in Edin vorüber war.
5. KAPITEL
Es war schon fast Mitternacht, Stunden waren seit dem Angriff in den Wäldern vergangen, doch Laurel konnte keinen Schlaf finden. Sie lag in ihrem schmalen Bett und blickte starr auf die Schatten, die die Nachtkerze auf den Baldachin über ihrem Kopf warf. Die Flamme, die sich im Luftzug bewegte, schien ihnen Leben einzuhauchen. Machte aus ihnen schreckliche Ungeheuer mit hässlichen Fratzen.
Erschaudernd schloss Laurel die Augen, doch die Bilder blieben und trieben auf einem Nebelmeer dahin. Es war die Stimme des heiser
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