Das Erbe des Loewen
weit nach Norden kommen, da es im Schottischen Markland weitaus saftigere Beute gibt. Großvater sagt dies immer. Und es ist auch sicherer für sie, da das Englische Markland auf der anderen Seite des Tweedflusses liegt. Um unsere Ländereien zu erreichen, mussten die Wegelagerer tief nach Schottland eindringen. Ich habe außerdem bemerkt, dass der Engländer genauso gut gekleidet war wie jeder andere Mann bei Hofe in Edinburgh. Was könnte ein Edelmann mit unseren paar Schafen wollen?“
„Vielleicht war er hungrig“, sagte Kieran. „Es ist unwichtig, warum sie hier sind. Es ist meine Aufgabe, euch von ihnen zu befreien.“
„Ja. Und es ist keine leichte Aufgabe. Der Engländer sprach davon, Verstärkung zu holen ... ein Heer, wie er sagte.“
„Hast du das auch aus deiner Vision?“
„Nein. Ich hörte es ihn sagen. Warum glaubst du mir nicht?“ Sie legte beschwörend die Hand auf seinen Arm.
Selbst diese leichte Berührung ließ Kieran vor Sehnsucht erschauern. Stöhnend zog er Laurel in die Arme. Er hatte noch nie zuvor ein Weib so umfasst. Sie reichte ihm gerade bis zur Brust. Sie fühlte sich so zart, so zerbrechlich an, die sanften Formen ihres Körpers schmiegten sich an den seinen. Unter der wollenen Kleidung, die sie voneinander trennte, spürte er denselben wilden Herzschlag, der auch ihn erfasst hatte. Kieran wusste, es war verboten, was er tat, er sollte von ihr ablassen, doch er konnte es nicht.
„Was geschieht mit mir?“ flüsterte Laurel und versuchte, die aufsteigende Glut nicht zu beachten. Verlangen? Nein, sie konnte ihn nicht begehren. Er war ein Außenstehender. Ein hartherziger, gefährlicher Mann. Doch im Dämmerlicht schienen seine Augen zu glühen, entfacht von Leidenschaft. In ihrem Innersten begann es zu lodern. „Warum du?“ fragte sie er-neut. „Wir sind so verschieden. Wir mögen einander nicht einmal.“
„Ich weiß. Ich mag das ebenso wenig wie du“, antwortete er heiser. „Und doch, da ist etwas zwischen uns ...“
„Wie kann das sein?“ rief sie. „Wir haben uns erst kennen gelernt.“ Doch verborgen in ihren Sinnen lauerten die Träume ... flüchtig sah sie einen Fremden das Meer überqueren. Allein. Immer allein. Ein einsamer Fremder, der sich als Kieran Sutherland entpuppte. Oh, sie kannte ihn bereits ... aus ihren Träumen. Und nun zeigte es sich, dass die Wirklichkeit noch erschreckender war als diese Träume.
„Vielleicht ist es die Verlockung der verbotenen Früchte.“ Kieran, getrieben von Mächten, die ihn zu überwältigen drohten, beugte den Kopf. „Eine Kostprobe könnte uns heilen“, flüsterte er.
„Nein.“ Ihr Atem streifte sein Gesicht, so dass seine Haut prickelte, und sie öffnete erwartungsvoll die Lippen.
„Ja“, antwortete er und nahm ihre unausgesprochene Einladung an. Ihr Mund war weich, der Geschmack geheimnisvoll und verführerisch. Und er wusste sofort, dass diese Kostprobe die Begierde in ihm nicht zum Erlöschen bringen würde. Erschauernd küsste er sie nochmals.
Laurel stöhnte, mit geschlossenen Augen stellte sie sich auf die Zehenspitzen und legte die Arme um seinen Nacken. Ein wohliger Schauer durchlief Kieran, als er sie noch fester in die Arme schloss und an sich presste. Sein alles verzehrender Kuss machte sie atemlos.
Zu spüren, wie ihre Lippen sich für ihn öffneten, und das verführerische Spiel ihrer Zunge ließen Kieran die Kontrolle verlieren. Niemals hatte das Verlangen so heftig und heiß in ihm gebrannt. Er fühlte sich stark, wild, ungebändigt. Getrieben von dem urwüchsigen Drang, sie zu besitzen, zerrte er an den Falten ihres Gewandes, verzweifelt bemüht, ihre bloße Haut zu spüren. Schmerzhaft war sein Bedürfnis, einzutauchen in ...
„Nein! Halt ein!“
Benommen bemerkte Kieran, dass sie sich wehrte. Ihre Arme waren nicht länger um seinen Nacken geschlungen, sondern zwischen ihre Körper gezwängt, und sie stieß mit all ihrer Kraft gegen ihn. „Laurel?“ Er riss sich aus dem sinnlichen Schleier und sah in ihre weit aufgerissenen Augen. Sie fürchtete sich ... vor ihm. Und das tat auch er. Trotz der Gefühle, die sein Innerstes aufwühlten, war er voll Entsetzen, was hätte geschehen können. Er hätte ... er hätte ihren Körper und seine Ehre geschändet. „Geh“, sagte er heiser und gab sie frei.
Laurel lief, stolperte in der Hast über ihre eigenen Füße, doch als sie die Stalltür erreichte, musste sie einen Blick zurückwerfen.
Mit geballten Fäusten starrte Kieran ihr nach.
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