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Das Erbe des Vaters

Das Erbe des Vaters

Titel: Das Erbe des Vaters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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muskulösen Glieder und die kerzengerade Haltung jedoch sowie der völlige Mangel an Wärme und Mitgefühl in den großen dunkelbraunen Augen gemahnten eher an eine Turnlehrerin an einer Mädchenschule.
    »Diese Veranstaltungen bei den Harbornes sind immer unglaublich öde«, sagte sie laut flüsternd, als stünde sie auf der Bühne.
    Er holte ihre Mäntel.
    »Nun«, sagte sie, als sie ins Freie traten, »hat es geklappt?«
    »Mr. Harborne sagte, er würde sich im neuen Jahr melden.« Er hatte den verwahrlosten Garten der Harbornes vor Augen: eine Menge Potential.
    »Dann kommst du noch auf einen Drink mit zu mir«, sagte sie, einem Taxi winkend.
    »Diana –«
    »Nein gibt’s nicht, Caleb.« Hinter der Scherzhaftigkeit blitzte Stahl. »Die Harbornes haben eine Menge Freunde. Sie könnten dir sehr nützlich sein.«
    Diana Coulthard wohnte in Chelsea. Ihr Mann, ein Wissenschaftler, arbeitete bei irgendeiner staatlichen Forschungseinrichtung und war häufig auf Reisen. Caleb war ihm nur einmal begegnet, er hatte auf ihn den Eindruck eines stillen, etwas vertrockneten Mannes gemacht.
    In ihrem Wohnzimmer goß Diana ihm einen Drink ein und klopfte auf den freien Platz neben sich auf dem Sofa. Dann sagte sie: »Also, wer war sie?«
    »Wovon redest du?«
    »Von der Frau, die du praktisch mit den Augen verschlungen hast.« Als er nicht antwortete, verdrehte sie theatralisch die Augen. »Ein goldenes Kleid. Von Susan Small, vermute ich. Sie war mit dem vielumworbenen Dr. Napier da. Der hervorragende Beziehungen hat und einen Haufen Geld. Seine Mutter ist allerdings der reinste Alptraum.« Sie sah ihn an. »Also?«
    »Sie heißt Romy Cole«, sagte er knapp. »Sie arbeitet – nein, ihr gehört ein Hotel in Bloomsbury.«
    »Ich wollte eigentlich wissen, was sie dir bedeutet, Darling.«
    »Nichts. Gar nichts.«
    Diana lächelte. »Das höre ich gern.«
    Er ergriff ihre Hand und drückte einen Kuß darauf. Ihre Hände waren weiß und kräftig und rochen nach Pears-Seife. Dann küßte er die Innenseite ihres Handgelenks.
    »Caleb!« sagte sie. »Du bist ganz schön frech.«
    Er sah die Einladung in ihrem Blick und wurde sich plötzlich bewußt, daß er sie begehrte; diese hochgewachsene Fremde mit den großen Brüsten, die nichts gemein hatte mit der schmalen, zarten Frau mit der goldschimmernden Haut, die er nicht vergessen konnte. Er küßte ihre Armbeuge und die Rundung ihrer Schulter. Dann schob er seine Hände auf ihren Rücken und nahm die zeitraubende Aufgabe in Angriff, die lange Leiste winziger satinbezogener Knöpfchen zu öffnen, ihr das Cocktailkleid, den Büstenhalter, den Petticoat, den Strumpfhalter und die Strümpfe abzustreifen.
    Eine Stunde später brachte Diana ihn zur Tür. Sein Querbinder steckte in seiner Tasche, die beiden oberen Knöpfe seines Hemds und sein Mantel waren offen. Nach Dianas robuster Umarmung fühlte er sich so heftig beansprucht wie nach einem Zehntausendmeterlauf.
    Während der Untergrundbahnfahrt nach Hause nickte er immer wieder ein. Vor zwei Monaten hatte er eine Wohnung in Canonbury gekauft, einem stark heruntergekommenen Teil von Islington, früher ein reines Arbeiterviertel, das im Krieg schwer bombardiert worden war. In den letzten Jahren hatten viele Geschäftsleute und Akademiker hier Häuser gekauft und renoviert. Messingklopfer prangten nun auf bisher schmucklosen Türen, und ehemals rußschwarze Mauern leuchteten im Glanz frischer weißer Tünche. Ein Erwachen lag in der Luft, als würden Straßen, die jahrhundertelang geschlafen hatten, zu neuem Leben erweckt.
    Calebs Wohnung umfaßte das Erdgeschoß und das Souterrain eines georgianischen Hauses. Drinnen fiel der Mörtel von den Wänden, und viele der Bodendielen waren morsch; Kolonien von Bohrasseln, Silberfischchen und Ohrwürmern hausten hinter faulenden Sockelleisten und verschossenen Tapeten, die sich von den Wänden lösten. Der Preis war wegen des verwahrlosten Zustands der Wohnung erschwinglich gewesen, aber ihm war unangenehm klar, daß er die Hypothekenraten nicht würde zahlen können, wenn nicht bald neue Aufträge eingingen.
    Gerade als er seine Wohnungstür aufsperrte, kam Alison, die über ihm wohnte, die Treppe herunter. »Ich habe ein Päckchen für dich, Caleb. Der Postbote hat es vorn auf die Treppe gelegt, da hab ich’s an mich genommen.«
    Er dankte ihr und nahm ihr das Päckchen ab.
    »Hast du dich gut amüsiert?« fragte sie, als er Mantel und Schlips auf das Sofa warf.
    »Nein. Nicht

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