Das Erbe des Vaters
»Ich bin fünfunddreißig. Zu alt für Spielchen.«
»Ich mache keine Spielchen, Patrick.«
»Wenn du nicht interessiert bist, mußt du es sagen.« Er ergriff seinen Mantel. »Ich kann es aushalten. Im stillen Kämmerlein würde ich vielleicht heulen wie ein Schloßhund, aber du müßtest davon ja nichts erfahren.«
»Patrick, Lieber.« Sie berührte seinen Arm. »Das ist es nicht.«
»Was dann?«
»Ich habe es dir doch schon gesagt. Ich bin einfach müde.«
»Du arbeitest zuviel. Das brauchst du doch gar nicht, Romy.« Er nahm sie von neuem in die Arme und küßte sie noch einmal. »Und wenn du nun doch Zensuren gibst …?«
»Note eins«, sagte sie leichthin. »Natürlich Note eins, Patrick.«
Als er gegangen war, goß sie sich noch einen Drink ein und ließ ein Bad einlaufen. Aufatmend stieg sie aus ihrem eleganten Kleid (mauvefarbene Seide, das Mieder mit kleinen schwarzen Blumen bestickt), legte das Korselett und die Strümpfe ab und ließ sich bis über den Kopf ins warme Wasser sinken.
Sie wußte, daß sie Patrick nicht ganz die Wahrheit gesagt hatte. Gewiß war sie müde, sie war eigentlich immer müde, Danny und das Hotel kosteten eine Menge Kraft, aber doch nicht zu müde. Sie hatte ein Prickeln der Erregung gespürt, als er sie geküßt hatte, und genau darum hatte sie sich ihm entzogen.
Aber warum war sie nicht mit Patrick Napier ins Bett gegangen? Nach Luft schnappend setzte sie sich in der Wanne auf und strich sich das klatschnasse Haar aus dem Gesicht. Anfangs, überlegte sie, hatte sie ihn aus Stolz abgewiesen. Sie wußte, was für ein Typ er war. Ein bißchen wie Casanova – gutaussehend, reich, kultiviert und frei. Seine Versuche, sie zu verführen, hatten beinahe wie Pflichtübungen gewirkt, wie von Gewohnheit diktiert. Er hatte etwas Anmaßendes an sich gehabt, was sie stark an Liam Pike erinnert hatte. Sie war Liam damals im Auto nicht gefügig gewesen, und so schnell würde sie auch nicht zwischen Patrick Napiers seidene Laken schlüpfen. Sie hatte keine Lust, nicht mehr zu sein als eine von zahllosen Eroberungen, ein weiterer Name auf der Liste. Sie hatte erwartet, daß Patrick schnell aufgeben würde, wenn sie die Grenze bei Küssen und Liebkosungen zog, doch er rief weiterhin an, um sich mit ihr zu treffen. Sie schloß daraus, daß er Zurückweisung schlecht vertrug. Er war es nicht gewöhnt, daß Frauen nein sagten. Trotzdem war sie gern mit ihm zusammen und wollte ihn nicht verlieren. Nein, sie machte keine Spielchen, sie war nur klug. Sobald er sein Ziel erreicht hatte, würde er gehen. Ihm würde das nichts ausmachen, aber vielleicht ihr.
Worauf wartest du, Romy Cole? hatte Patrick sie gefragt. Ich warte auf gar nichts, dachte sie ärgerlich, als sie aus der Wanne stieg und sich in ein Badetuch einwickelte. Ich warte auf niemanden!
Im folgenden Monat besuchte Patrick mit ihr zusammen eine Cocktailparty in Belgravia, in einem hohen, eleganten Haus mit kannelierten Säulen, die wie Wächter zu beiden Seiten des Portals standen.
Er kenne die Harbornes seit Ewigkeiten, erklärte er. »Sie sind alte Freunde der Familie. Minnie Harborne, James’ Mutter, war mit meiner Mutter Bunny auf der Schule.«
Romy stellte sich die beiden vor, Minnie und Bunny, stämmige, sportliche junge Mädchen in einem vornehmen Internat, wo hauptsächlich Hockey gespielt wurde – Charaktere aus den Angela-Brazil-Romanen, die sie als junges Ding gelesen hatte.
»Du mußt Bunny unbedingt kennenlernen«, sagte Patrick. »Sie wäre hingerissen von dir, das weiß ich.«
In dem geschmackvoll ausgestatteten Haus boten Kellnerinnen Getränke an und Platten mit Canapés. In einem anderen Raum tanzten Paare auf zurückhaltend dezente Art zur Musik einer Drei-Mann-Kapelle.
»Sag mal, hast du eigentlich Weihnachten schon etwas vor?« fragte Patrick, als er Romy zur Tanzfläche führte. »Ich bin Weihnachten immer bei meiner Mutter in Suffolk, und ich trommle gerade ein paar Leute zusammen. Hast du nicht Lust mitzukommen?«
»Ich kann nicht, Patrick, so leid es mir tut. Weihnachten ist bei uns immer wahnsinnig viel los.«
Er schwang sie um ein anderes Paar herum. Er war ein guter Tänzer, es machte Spaß, mit ihm zu tanzen.
»Aber du könntest dir doch bestimmt ein paar Tage freinehmen«, sagte er.
Sie schüttelte den Kopf. »Nein, das geht ganz sicher nicht.«
Er sah zu ihr hinunter. »Aber du bist die Chefin, Romy. Das ist doch gerade einer der Vorteile, daß man sich die Zeit einteilen kann, wie es
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