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Das Erbe des Vaters

Das Erbe des Vaters

Titel: Das Erbe des Vaters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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ausgedörrten Land hing. Heimweh nach dem Vertrauten erwachte, nach sanftem Regen und grünem englischen Rasen. Er vermißte seine Arbeit, Ruhelosigkeit und Ungeduld bemächtigten sich seiner sowie das Gefühl, daß er seine Zeit verschwendete.
    Einige Monate später kehrte er nach England zurück. Als erstes besuchte er seine Mutter, die jetzt in Southampton lebte und als Verkäuferin in einem Vorortgeschäft arbeitete. Sie hatte sich verändert, einen Teil ihrer früheren Lebenslust und Selbstgewißheit verloren. Caleb kam es vor, als wäre sie kleiner geworden und ein wenig farbloser. Sie begegneten einander mit steifer Verlegenheit, zuviel Unausgesprochenes lag zwischen ihnen. Er erzählte von seinen Reisen und teilte ihr mit, daß er fürs erste wieder bei Freddie arbeiten würde. Er blieb nur eine Nacht in Southampton und verließ die enge, kleine Wohnung am folgenden Morgen mit Erleichterung. Es gab Fragen, die zu stellen er nicht über sich gebracht hatte, und es gab Antworten, die zu hören er sich fürchtete. Die Erinnerung an ihre letzte katastrophale Begegnung, als sie ihm gestanden hatte, daß Osborne Daubeny sein Vater war, war noch zu lebendig. Daß sie sich ausgerechnet mit Osborne Daubeny eingelassen hatte, der für ihn – Caleb – der Inbegriff der Heuchelei war, machte ihm immer noch zu schaffen. Und dazu die Ungeheuerlichkeit ihrer Lügen. Er wußte, daß sie wünschte, er würde ihr verzeihen. Aber dazu war er noch nicht fähig.
    Und Romy? Hatte er ihr verziehen? Er war nicht einmal sicher, daß es da, objektiv betrachtet, viel zu verzeihen gab. Sie hatte nichts Schlimmeres getan, als die Wahrheit aufzudecken. Und nicht einmal das hatte sie eigentlich tun wollen. Weshalb sollte er ihr also einen Betrug zum Vorwurf machen, den ganz andere begangen hatten?
    Und dennoch – er machte ihr die Achtlosigkeit zum Vorwurf, mit der sie sein persönliches Geheimnis als Waffe eingesetzt hatte, und die Gedankenlosigkeit, mit der sie ihm eine so schwere Last aufgebürdet hatte. Sie hatte aufgedeckt, daß er der Sohn des Mannes war, der ihrer Familie das Zuhause genommen hatte, wodurch er sich selber jetzt mit ganz anderen Augen sah. Sein Selbstvertrauen schwand, und er sah Schatten auf seinen Impulsen und Wünschen. Die Wissenschaft mochte die alten Theorien vom sogenannten schlechten Blut widerlegt haben, doch sie hatten sich gehalten, wenn auch vielleicht in anderer Gestalt, und veranlaßten ihn jetzt, sich zu fragen, ob Osborne Daubeny ihm nicht mit seinen Genen eine dunkle Seite mitgegeben hatte; ob Schuld erblich war.
    Er rief sich Romy ins Gedächtnis, wie er sie an diesem Abend erlebt hatte, eine Gestalt, deren Glanz alles überstrahlte. Sie schien die Vergangenheit beinahe ohne einen Blick zurück abgestreift zu haben, war umgeben von einer Aura der Selbstsicherheit, des Erfolgs und des materiellen Wohlergehens. Sie hatte sich unglaublich verändert: tadellos gekleidet und tadellos frisiert, ohne eine Spur des Akzents ihrer Kindheit. Mit dem jungen Mädchen in dem billigen Röckchen und den abgestoßenen Schuhen, dem er das erste Mal in Middlemere begegnet war, schien sie nichts mehr gemein zu haben. Unvorstellbar, daß dieses schöne, kultivierte Geschöpf sich in einem Gewitterregen verlief oder in Gummistiefeln, die ihr mehrere Nummern zu groß waren, durch einen matschigen Garten stapfte. Und was diesen Kerl anging, mit dem sie zusammengewesen war … Calebs Mund verzog sich geringschätzig bei der Erinnerung an den gutaussehenden, gewandten Patrick Napier. Er hat einen Haufen Geld , hatte Diana gesagt. Da konnte man sich ja denken, was an dem Mann so anziehend war.
    Aus Romy Cole war ein Mensch geworden, den er nicht mehr kannte. Sie hatte jetzt alles, was sie immer erstrebt hatte: Geld, Besitz, Erfolg, Macht. Sie verkehrte in anderen Kreisen und war von einem teuren Glanz umgeben, der undurchdringlich war. Wieder mußte Caleb an die Begegnung dieses Abends denken, so steif und förmlich, das Gespräch so stockend. Na ja, dachte er grimmig, wenigstens haben wir damit das erste Wiedersehen hinter uns. Wenn sie einander das nächste Mal begegneten, würde es vielleicht mit einem Gruß und einem höflichen Lächeln getan sein. Und mit der Zeit würde selbst das zu einem bloßen Nicken der Begrüßung werden. Ihm sollte es recht sein.
    »Letzte Chance, Romy«, sagte Patrick. »Du kannst mit mir nach Suffolk fahren, morgens im Bett frühstücken, dich bekochen lassen, mit interessanten Leuten reden

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